Sorgerechtsstreitigkeiten sind immer eine ernste Sache. Im folgenden Fall jedoch sah sich selbst das zuständige Oberlandesgericht Celle (OLG) – bei dem man davon ausgehen kann, dass es schon so einige harte Fälle erlebt hat – gezwungen, statt eines Ordnungsgelds eine Haftstrafe gegen eine Mutter zu verhängen. Denn diese hatte eine besondere Widerspenstigkeit gegenüber der getroffenen Sorgerechtsentscheidung an den Tag gelegt.
Seit Jahren stritten Mutter und Vater über das Sorgerecht. Nachdem dies 2021 endgültig dem Vater übertragen worden war, verweigerte die Mutter die Kindesherausgabe. Das Familiengericht gab dem Vater und dem Jugendamt alle rechtlichen Möglichkeiten an die Hand, die Herausgabe der neunjährigen Tochter durchzusetzen, es wurde sogar die Wohnung der Mutter vom Schlüsseldienst geöffnet und die Polizei hinzugezogen. Die Mutter hatte – dies voraussehend – rund 15 Zeugen für diesen Termin organisiert, die alles aufzeichneten und zusammen mit ihr das Kind darin bestärkten, sich gegen die Mitnahme zu wehren. Die Polizisten beschrieben die Situation als gestellt, manipulativ und darauf angelegt, dass es zu Handgreiflichkeiten komme. Eine unbeeinflusste Unterhaltung mit dem Kind sei den Polizisten oder Jugendamtmitarbeitern nicht möglich gewesen. Dieser Inobhutnahmeversuch wurde abgebrochen. Anschließend hielten sich Mutter und Tochter monatelang bei verschiedenen Freunden und Verwandten auf, um nicht greifbar zu sein; die Tochter besuchte die Schule nicht. Zudem musste die Mutter beim Gerichtsvollzieher erscheinen, um Angaben zum Aufenthalt der Tochter zu machen – allerdings war auch das unergiebig.
Im Ergebnis schaffte es die Mutter anderthalb Jahre lang, das Kind abzuschotten und dessen Herausgabe zu verweigern. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Kindesentziehung, und das OLG hatte nun über Ordnungsmittel gegen die Mutter zu entscheiden – in der Regel ein Ordnungsgeld in Höhe von einigen hundert Euro. Hier aber griff das OLG direkt zu einem einschneidenderen Mittel: Es ordnete 30 Tage Haft für die Mutter an. Deren Hartnäckigkeit lasse vermuten, dass weder ein Geldbetrag noch eine kurze Ordnungshaft von wenigen Tagen den Zweck erreichen könne, den Widerstand gegen die Herausgabe aufzugeben. Die Mutter konnte sich nicht damit rechtfertigen, dass sie ärztliche Bescheinigungen einreichte, nach denen eine Herausgabe dem Kindeswohl widerspreche. Denn da sie kein Sorgerecht hatte, hätte sie das Kind gar nicht bei Ärzten untersuchen und behandeln lassen dürfen.
Hinweis: Gegen den Arzt, der wusste, dass die Mutter kein Sorgerecht hatte und der das Kind trotzdem behandelte, wurde berufs- und strafrechtlich vorgegangen.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 31.01.2023 – 10 WF 135/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 05/2023)