Nicht immer geht es für Arbeitnehmer so glimpflich aus, wenn sie vom Arbeitgeber beim Lügen oder Betrügen erwischt werden. Denn wer sich dabei versucht, riskiert die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dass das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) hier die Kündigung nicht bestätigte, lag an einem Detail, das in vielen Fällen gegen die Entlassung spricht.
Eine Pflegeassistentin in einem Pflegeheim war gesetzlich verpflichtet, bis zum 15.03.2022 entweder einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis, ein ärztliches Zeugnis über eine Schwangerschaft oder ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Corona-Virus geimpft werden könne. Die Arbeitnehmerin erhielt über eine Website eine Bescheinigung über eine vorläufige Impfunfähigkeit und ein Anschreiben zur Vorlage bei ihrem Arbeitgeber. Dafür musste sie online lediglich formularmäßige Fragen verneinen – zum Beispiel, ob sie ausschließen könne, gegen einen der Bestandteile der Impfstoffe allergisch zu sein. Sowohl die Impfunfähigkeitsbescheinigung als auch das Anschreiben waren von einer Dr. E. unterschrieben worden – beides legte die Pflegeassistentin ihrem Arbeitgeber vor. Dieser kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Behauptung, die Pflegeassistentin habe eine unrichtige Impfunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Gegen die Kündigung klagte die Frau – und zwar erfolgreich.
Nach Auffassung des LAG kann auch die Vorlage irreführender ärztlicher Bescheinigungen durchaus eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht darstellen, die den Arbeitnehmer trifft. Deshalb kann insbesondere eine solche „vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung“ eine Kündigung rechtfertigen, die ohne ärztliche Untersuchung erstellt wurde und den falschen Eindruck erweckt, auf den individuellen Verhältnissen des Arbeitnehmers zu beruhen. Hier war die Bescheinigung inhaltlich irreführend, da sie den Eindruck erweckte, es habe ein persönlicher Kontakt zwischen der Klägerin und der ausstellenden Ärztin bestanden und die ärztliche Stellungnahme beruhe auf den individuellen Besonderheiten der Arbeitnehmerin. Die notwendige Interessenabwägung fiel hier dennoch zugunsten der Arbeitnehmerin aus. Es war für die Arbeitgeberin zumutbar, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen. Zur Vermeidung künftiger Vertragsstörungen wäre der Ausspruch einer Abmahnung ausreichend gewesen.
Hinweis: Jeder Fall ist im Arbeitsrecht gesondert zu betrachten. Das zeigt dieses Urteil ganz besonders. Bei Straftaten und Täuschungshandlungen sollten Arbeitnehmer jedoch stets bedenken, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel steht.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 30.03.2023 – 18 Sa 1048/22
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(aus: Ausgabe 12/2023)