Im folgenden Fall, der dem Oberlandesgericht Hamm (OLG) vorgelegt wurde, musste es sich mit dem Urteil eines Amtsgerichts (AG) befassen. Dieses hatte einen Biker wegen zu schnellen Fahrens sowie riskanten Überholens verurteilt. Probleme hierbei machten sowohl die etwas ungewöhnlichere Messmethode als auch das hierfür erstellte Gutachten, das die Messdaten durch das erfolgte Hinterherfahren eigentlich stützen sollte – genau: „eigentlich“.
Der betreffende Motorradfahrer befuhr eine Landstraße und überholte einen vor ihm fahrenden Pkw. Dabei wurde er von einem hinterherfahrenden Polizeimotorrad gemessen – es wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h festgestellt. Zudem wurde ein Überholvorgang dokumentiert, der nicht ohne Gefährdung des Gegenverkehrs abgeschlossen werden konnte. Daraufhin erging ein Bußgeldbescheid in Höhe von 370 EUR, und es wurde ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen legte der Betroffene Einspruch ein. Denn er war der Ansicht, die Messung sei durch Hinterherfahren in Schräglage nicht verwertbar. Das zuständige AG stimmte zwar zu, dass es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren handelte und von daher ein Gutachten einzuholen sei. Aber auf Basis eben jenes Gutachtens wurde der Betroffene dann auch verurteilt.
Dieses Urteil hob das OLG nun jedoch auf. Zwar sei es richtig, dass bei einer solchen Messung nicht von einem standardisierten Verfahren ausgegangen werden könne. Daher sei das Gutachten zu Recht eingeholt worden. Es müsse aber bei einer Messung durch Nachfahren genau festgelegt werden, welche Fixpunkte Beginn und Ende der Messung definieren, welchen Abstand sie voneinander hatten und in welcher Zeit das Motorrad diese Distanz zurücklegte. Bei dem zweiten Vorwurf des Überholens trotz unübersichtlicher Stelle müssen genaue Feststellungen zur Übersichtlichkeit der Strecke erfolgen – auch das sei hier nicht der Fall gewesen. Die Sache wurde zur weiteren Feststellung an das AG zurückverwiesen.
Hinweis: Eine Geschwindigkeitsermittlung durch Nachfahren ist grundsätzlich möglich. Erfolgt die Ermittlung mit einem Fahrzeug mit nicht justiertem Tachometer, ist regelmäßig ein erster Toleranzabzug von der abgelesenen Geschwindigkeit von 10 % zuzüglich 4 km/h für mögliche Eigenfehler des Tachometers sowie ein weiterer Toleranzabzug zwischen 6 % und 12 % der abgelesenen Geschwindigkeit erforderlich, um weiteren Fehlerquellen, wie Ablesefehler, sowie solchen Fehlern zu begegnen, die aus Abstandsveränderungen und/oder der Beschaffenheit des Fahrzeugs resultieren.
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 09.01.2023 – III-5 RBs 334/22
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(aus: Ausgabe 06/2023)