Nach Stellung eines Erbscheinsantrags hat das Gericht unter Verwendung der angegebenen Beweismittel von Amts wegen erforderliche Ermittlungen zur Erbfolge aufzunehmen. Mit der Frage, welche Folgen sich daraus ergeben, dass ein Antragsteller unverschuldet Beweismittel nicht angibt, hatte sich in einer aktuellen Entscheidung der Bundesgerichtshof (BGH) zu beschäftigen.
Der Erblasser war im November 2009 verstorben. Aus einer Sterbefallanzeige ergab sich ein Hinweis darauf, dass der Erblasser eine nichteheliche Tochter habe, deren Aufenthalt unbekannt sei. Die beiden leiblichen Kinder des Erblassers hatten die Erbschaft ausgeschlagen. Die überlebende Ehefrau wiederum hatte einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der sie zusammen mit den beiden Kindern als gemeinschaftliche Erben ausweisen sollte.
Das Nachlassgericht hat den Antrag auf Erlass eines Erbscheins unter Berücksichtigung der unbekannten nichtehelichen Tochter jedoch zurückgewiesen. Die Beschwerde wurde durch das Oberlandesgericht (OLG) ebenfalls zurückgewiesen. Im Kern wurde dies damit begründet, dass die Antragstellerin keine Beweismittel dafür angeboten habe, dass die nichteheliche Tochter existiere. Mangels ordnungsgemäßen Erbscheinsantrags sei das Nachlassgericht daher auch nicht verpflichtet gewesen, im Wege der Amtsermittlung selbst Nachforschungen zur Existenz der nichtehelichen Tochter anzustellen.
Dieser Begründung ist der BGH nicht gefolgt: Grundsätzlich habe ein Antragsteller Beweismittel zwar anzugeben – kann er dies (ohne eigenes Verschulden) aber nicht, ist der Antrag deshalb nicht gleich unzulässig. Der BGH hat die Angelegenheit daher an das OLG zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
Hinweis: Erst wenn ein Erbscheinsantrag anhängig ist, prüft das Nachlassgericht, ob der Erblasser eine wirksame Verfügung getroffen hat, oder aber, ob erfolgte Ausschlagungserklärungen wirksam sind.
Quelle: BGH, Beschl. v. 08.02.2023 – IV ZB 16/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 04/2023)