Gegenstand des folgenden Rechtsstreits vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) war einmal mehr die Auslegung eines Testaments, das im Jahr 1986 verfasst wurde. Ausschlag dafür gab der Wunsch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Die Erben waren der Auffassung, dass dieser unerfüllt bleiben müsse, da es sich bei dem Antragsteller um einen Vermächtnisnehmer handle, der durch Geltendmachung seines Pflichtteils das Vermächtnis stillschweigend ausgeschlagen und damit auch auf weitere Ansprüche verzichtet habe.
Der bereits im Jahr 1989 verstorbene Erblasser hatte seine Frau aus zweiter Ehe sowie seinen adoptierten Sohn in einem handschriftlichen Testament bedacht. Dort hatte er verfügt, dass seine Ehefrau seine Erbin werden solle. Nach dem Tod des Letztversterbenden sollte der noch übriggebliebene Nachlass an den Sohn fallen. Der überlebende Ehegatte solle berechtigt sein, über den Nachlass frei zu verfügen, und von allen Beschränkungen befreit sein. Jedoch solle er nicht berechtigt sein, das Testament zu ändern. Nach dem Tod des Vaters hatte der Sohn gegenüber der Witwe einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von ca. 650.000 DM geltend gemacht und diesen auch erhalten. Nach dem Tod der Witwe 2020 trat die gesetzliche Erbfolge ein, und der Sohn vertrat gegenüber den gesetzlichen Erben der Stiefmutter die Ansicht, dass die nunmehr verstorbene Erblasserin im Jahr 1986 testamentarisch als befreite Vorerbin und er als Nacherbe eingesetzt worden seien. Er verlangte von den gesetzlichen Erben der Stiefmutter Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Die Erben waren aber der Ansicht, dass der Sohn lediglich Vermächtnisnehmer geworden sei und durch die Geltendmachung seines Pflichtteils das Vermächtnis stillschweigend ausgeschlagen habe.
Dieser Ansicht ist das LG nicht gefolgt und hat die Erben dazu verpflichtet, ein Bestandsverzeichnis über den Nachlass nach dem 1989 verstorbenen Erblasser zu erstellen. Das Gericht begründete dies damit, dass der Sohn zwar nicht Nacherbe, jedoch Nachvermächtnisnehmer geworden ist. Aus dem Wortlaut des Testaments ergebe sich zunächst nicht, dass eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet sei. Lediglich bezüglich der Ehefrau wird überhaupt von einer Erbeinsetzung gesprochen. Gegen eine Erbeinsetzung des Sohns spricht nach Ansicht des LG aber der Umstand, dass die Ehefrau von allen Beschränkungen befreit werden sollte. Das Gericht kam hier durch Auslegung zum Ergebnis, dass eine Vollerbeneinsetzung der Ehefrau sowie die Anordnung eines Nachvermächtnisses zugunsten des Sohns der vom Erblasser beabsichtigten Stellung der Ehefrau als „superbefreite Vorerben“ am nächsten komme. Der Sohn habe das Nachvermächtnis durch die Geltendmachung seines Pflichtteils auch nicht ausgeschlagen. Zwar kann die Geltendmachung des Pflichtteils eine schlüssige Ausschlagung eines Vermächtnisses darstellen. Aufgrund der Umstände ist allerdings davon auszugehen, dass der Sohn immer gedacht habe, testamentarisch als Nacherbe eingesetzt worden zu sein. Hätte er Kenntnis davon gehabt, dass es sich um ein Vermächtnis handelt, wäre der Pflichtteil vermutlich nicht geltend gemacht worden.
Hinweis: Grundsätzlich steht einem Vermächtnisnehmer kein Auskunftsanspruch gegenüber Erben zu. Benötigt er Informationen für die Feststellungen und zur Durchsetzung seines Anspruchs, wird ausnahmsweise ein Auskunftsrecht bejaht.
Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 27.07.2023 – 8 O 4921/22
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(aus: Ausgabe 09/2023)