Aussage der Ehefrau: Glaubwürdigkeit darf nicht allein wegen enger Bindung zu Prozessbeteiligten angezweifelt werden

Artikel vom 03.02.2025

Justitia wird als Göttin der Gerechtigkeit in den meisten Darstellungen mit einer Augenbinde versehen, damit sie blind sei vor Status und Ansehen von Klägern und Beklagten und unparteiisch Recht spreche. Unsere Rechtsprechung setzt für dieses Ideal auf die Umsetzung geltender Gesetze, und zwar auf Basis der jeweils fallbezogenen Beweislage. Diese –  und nicht etwa ein ungutes Bauchgefühl, das vermeintlich Naheliegendes voraussetzt  – galt auch im folgenden Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG).

Justitia wird als Göttin der Gerechtigkeit in den meisten Darstellungen mit einer Augenbinde versehen, damit sie blind sei vor Status und Ansehen von Klägern und Beklagten und unparteiisch Recht spreche. Unsere Rechtsprechung setzt für dieses Ideal auf die Umsetzung geltender Gesetze, und zwar auf Basis der jeweils fallbezogenen Beweislage. Diese –  und nicht etwa ein ungutes Bauchgefühl, das vermeintlich Naheliegendes voraussetzt  – galt auch im folgenden Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG).

Nach einer Kollision von zwei Fahrzeugen war streitig, ob der Hintermann aufgefahren war oder der Vordermann zurückgesetzt hatte. Die Ehefrau des Hintermanns sagte aus, dass ihr Mann bereits eine geraume Zeit hinter dem anderen Auto gestanden habe, als dieses zurücksetzte und auf das ihres Mannes auffuhr. Der Vordermann behauptete hingegen, dass er wegen einer Katze habe bremsen müssen und deshalb der Hintermann aufgefahren sei. Da ein Gutachten ohne Ergebnis blieb, standen sich somit zwei Darstellungen gegenüber. Die Aussage der Ehefrau hielt das Landgericht (LG) dabei für nicht überzeugend und somit nicht hilfreich. Sie habe wenig detailliert ausgesagt und zudem ein gewisses Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens. Ohne ein aussagefähiges Sachverständigengutachten versuchte es das LG daher salomonisch und teilte die Schadensverteilung wegen Unaufklärbarkeit des Unfallhergangs hälftig auf. Der Ehemann der Zeugin – Hintermann im Geschehen – legte Berufung ein.

Nach der erneuten Anhörung der Ehefrau des Klägers entschied nun das OLG, dass feststehe, dass der Vordermann zurückgesetzt hätte. Die Ehefrau habe während der gesamten Abwicklung dieses Unfallereignisses ausgesagt, dass ihr Mann bereits einige Zeit hinter dem Fahrzeug gestanden habe, als dieser plötzlich rückwärts auffuhr. Im Termin habe sie sachlich neutral gewirkt und es seien keine Begünstigungstendenzen zu erkennen gewesen. Allein die Tatsache, dass sie die Ehefrau des Geschädigten sei, lasse nicht automatisch den Rückschluss zu, dass sie keine geeignete Zeugin darstelle. Der Vordermann hafte daher allein, da das plötzliche Rückwärtsfahren ein so schwerer Verkehrsverstoß sei, dass die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs zurücktrete.

Hinweis: Einem Fahrzeuginsassen als Unfallzeugen kann nicht von vornherein deshalb die persönliche Glaubwürdigkeit abgesprochen werden, weil er der Ehepartner einer Prozesspartei ist. Die Aussage ist vielmehr auf ihre Glaubhaftigkeit hin zu überprüfen, und die Glaubwürdigkeit ist wie bei anderen Zeugen zu würdigen.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 08.10.2024 – 7 U 30/24

zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

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