In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) stritten die Parteien um die Erfüllung eines Vermächtnisses. Die Kernfrage war hierbei, was in den heutigen Zeiten eigentlich unter dem Begriff „Barvermögen“ zu verstehen sei. Das, was wir in den Hosen- und Handtaschen bereits mit uns herumtragen, oder auch das, was wir kurzfristig dahin verfrachten könnten? Lesen Sie hier die Antwort.
Der Erblasser hatte in einem notariellen Testament seine Kinder zu Erben eingesetzt, nachdem er bereits eine Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf eine Tochter übertragen hatte. Zudem hatte der Erblasser die Erben mit einem Vermächtnis zugunsten der Tochter beschwert, dass bei Eintritt des Erbfalls das vorhandene Barvermögen zu 1/3 Anteil an die Tochter ausgezahlt werden solle. Zum Zeitpunkt des Erbfalls verfügte der Erblasser über ein Kontovermögen in Höhe von etwa 152.000 EUR, Genossenschaftsanteile im Wert von 3.000 EUR, ein Depotvermögen über etwa 34.000 EUR sowie ein Barvermögen in Höhe von etwa 2.000 EUR. Die Tochter war der Ansicht, dass unter dem Begriff „Barvermögen“ alle liquiden Mittel zu verstehen seien – insbesondere sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere und Bargeld. Die Erben hingegen waren der Ansicht, dass mit Barvermögen lediglich das vorhandene Bargeld gemeint sein könnte.
Nach Ansicht des OLG ist unter dem Begriff des Barvermögens in Zeiten des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs das Bargeld im engeren Sinne genauso zu verstehen, wie es beispielsweise bei Banken sofort verfügbar ist. Der Begriff des Bargelds umfasse heutzutage das gesamte Geld, das sofort verfügbar ist – also auch über eine Kartenzahlung. Dies gelte aber nicht für Wertpapiere. Insofern hatte die Klägerin Anspruch auf eine anteilige Zahlung aus dem Kontovermögen sowie dem aufgefundenen Bargeld.
Hinweis: Das Gericht kam durch eine Auslegung des Testaments zu dem vorgenannten Ergebnis. Lang andauernde Rechtsstreitigkeiten aufgrund von Unwägbarkeiten bei der Auslegung von Verfügungen können dadurch vermieden werden, dass die Parteien einen Auslegungsvertrag abschließen.
Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 20.12.2023 – 3 U 8/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)