In dem vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG) zu entscheidenden Fall ging es einmal mehr um die Unterscheidung dessen, was die Erblasser in ihrem Testament gemeint und was die mutmaßlichen Erben interpretiert hatten. Ausschlaggebend für den gerichtlichen Beschluss war dabei die sogenannte Gleichzeitigkeitsklausel im Ehegattentestament.
Die Eheleute hatten im Jahr 1995 zwei inhaltlich übereinstimmende, handschriftliche Testamente errichtet, in denen sie sich gegenseitig zu Erben eingesetzt hatten. Darüber hinaus hatten sie bestimmt, dass – sollten sie gleichzeitig oder so nacheinander versterben, dass weitere Verfügungen nicht möglich sind – zwei von den Erblassern übereinstimmend benannte Eheleute zu Erben benannt werden.
Nach dem Tod des Ehemanns vor etwa 20 Jahren hatte die Erblasserin dennoch eine abweichende testamentarische Verfügung getroffen. Nach deren Tod beantragte einer der nun erbenden Eheleute einen Erbschein mit der Begründung, sie seien als Schlusserben nicht nur für den Fall des gleichzeitigen oder kurz nacheinander erfolgten Versterbens eingesetzt worden, sondern für jeden Fall nach dem Ableben beider Eheleute. Die Erblasserin sei wegen der Bindungswirkung daher auch an einer abweichenden testamentarischen Regelung gehindert gewesen.
Dieser Auslegung hat sich das OLG im Ergebnis jedoch nicht angeschlossen. Nach dessen Ansicht handelte es sich nicht um eine formwirksame Schlusserbenbestimmung im Rahmen eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments. Zwar lasse der Begriff der Gleichzeitigkeit eine grundlegende Auslegung zu – rein sprachlich könne es aber einen Unterschied machen, ob auf einen „beiderseitigen“, „gemeinsamen“ oder „gleichzeitigen“ Tod abgestellt wird.
„Gleichzeitig“ umfasst nach der Rechtsprechung auch Fälle, in denen der Tod zeitlich nicht allzu weit auseinanderliegt. Eine Gleichzeitigkeit wird zudem angenommen, wenn der überlebende Ehegatte keine Möglichkeit mehr hat, eine neue Verfügung von Todes wegen zu errichten. Die Besonderheit des zu entscheidenden Falls lag darin, dass die Eheleute die Problematik bei der Verwendung des Begriffs „gleichzeitig“ bereits erkannt und ausdrücklich eine Regelung getroffen hatten, die der Rechtsprechung im Wesentlichen entspricht. Durch die Formulierung hatten die Eheleute klargestellt, dass die Einsetzung der Ehegatten tatsächlich nur für den Fall gelten sollte, dass die Eheleute in zeitlicher Hinsicht gleichzeitig versterben sollten. Da dies nicht der Fall war, war die Erblasserin auch nicht daran gehindert, nach dem Tod ihres Mannes eine abweichende neue Verfügung zu treffen.
Hinweis: Fälle des gleichzeitigen Versterbens sind häufig anzunehmen, wenn Eheleute aufgrund eines Unfalls kurz nacheinander versterben. Liegt ein längerer Zeitraum zwischen dem Tod der Eheleute, müssen weitere Umstände hinzutreten, um von einer Erbeinsetzung auszugehen.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 01.02.2023 – 3 Wx 29/22
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(aus: Ausgabe 04/2023)