Dass es unserer deutschen Rechtsordnung widerspricht, wenn Kinder heiraten, liegt auf der Hand. Aber der Rechtsstaat muss eine Lösung finden für Minderjährige, die im Ausland wirksam geheiratet haben und nun in Deutschland wohnen. Der Gesetzgeber hatte die Lösung gewählt, Eheschließungen, bei denen ein Beteiligter unter 16 Jahre alt war, als unwirksam anzusehen. Doch nach eingehender Betrachtung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Bedenken, was die Ausarbeitung des Gesetzes angeht – es verlangt eine Nachbesserung.
Dass es auf den ersten Blick unseren gesellschaftlichen Vorstellungen gut entspricht, Ehen als unwirksam anzusehen, wenn sie unserem Ehebild widersprechen, stellt sich aber in den Rechtsfolgen als Nachteil gerade für die heraus, die geschützt werden sollen. Angenommen, eine 14-Jährige wäre im Ausland wirksam mit einem älteren Mann verheiratet worden, bekäme Kinder von ihm und zöge mit ihm nach Deutschland. Hier fände der Mann Arbeit und das Paar käme zu Wohlstand, während sie als Hausfrau und Mutter die Kinder betreuen würde. Das „Gesetz zum Verbot von Kinderehen“ würde nun dazu führen, dass sie im Fall einer Scheidung keinerlei Ansprüche aus der Ehe hätte – denn sie wäre ja nach deutschen Vorstellungen unverheiratet. Sie bekäme also weder Unterhalt (falls die Kinder nicht mehr ganz klein sind) noch einen Teil seiner Rente (Versorgungsausgleich) noch etwas von seinem Vermögen (Zugewinnausgleich).
So geht das nicht, befand das BVerfG, und hat den Gesetzgeber bis Juni 2024 zur Nachbesserung aufgefordert. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass der minderjährig Verheiratete nach Erreichen der Volljährigkeit die Ehe im Inland wirksam weiterführen könne – ohne neu heiraten zu müssen. Zudem müssten die Auswirkungen auf den Unterhalt bedacht werden.
Hinweis: Das Gesetz ist nicht außer Kraft gesetzt und darf bis Juni 2024 noch angewendet werden.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 01.02.2023 – 1 BvL 7/18
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 06/2023)