Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu beschützen. Im folgenden Fall vor dem Arbeitsgericht Solingen (ArbG) ist der Arbeitgeber dieser Verpflichtung dadurch nachgekommen, dass er die fristlose Kündigung seines Arbeitnehmers auf ein stabiles Fundament aufgrund der lückenlosen Dokumentation stellen konnte.
Ein Arbeitnehmer war zunächst als Leiharbeiter im Bereich Lagerlogistik tätig und wurde im Jahr 2022 vom Entleiher unbefristet in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Mehrere Arbeitskolleginnen informierten am 28.08.2023 den direkten Vorgesetzten darüber, dass eben jener Arbeitnehmer eine Auszubildende mehrfach sexuell belästigt habe. Der Arbeitgeber leitete Ermittlungen ein und hörte die Auszubildende und den Arbeitnehmer an. Die Auszubildende schilderte, dass sie mehrfach von dem Arbeitnehmer am Bein, Hintern, der Brust und im Schritt berührt worden sei. Zudem habe er auch ihre Hand an seinen Schritt gelegt. Sie habe zwar andere Kolleginnen gewarnt, sich selbst jedoch nicht getraut, den Arbeitnehmer bei Vorgesetzten zu melden. An einem anderen Tag habe der Arbeitnehmer sich an ihr gerieben und sie zum Oralverkehr aufgefordert. Aus Angst habe sie mitgemacht. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich sowohl als Tat- als auch als Verdachtskündigung. Der Arbeitnehmer klagte hiergegen und bestritt sämtliche Anschuldigungen. Diese seien frei erfunden und strafbare Verleumdungen.
Das ArbG wies die Klage ab – die fristlose Kündigung war wirksam. Der Arbeitgeber habe den Sachverhalt umfassend ermittelt und Protokolle der Gespräche mit der Auszubildenden, weiteren Kollegen sowie WhatsApp-Chat-Protokolle vorgelegt. Aus diesen hätten sich nachvollziehbar und glaubhaft mehrere sexuelle Belästigungen durch den Arbeitnehmer ergeben. Dieser habe die Angst und Unsicherheit der Auszubildenden sowie seine Machtposition ausgenutzt. Anderslautende Erklärungen oder Darstellungen des Arbeitnehmers seien nicht glaubhaft und bloße Schutzbehauptungen. Er habe sogar versucht, sich als Opfer darzustellen. Eine Einsicht in Fehlverhalten und eine Entschuldigung seien nicht erfolgt.
Hinweis: Liegt nach langjähriger Tätigkeit im Betrieb ein erstmaliges geringeres Fehlverhalten vor, ist eine Kündigung ohne Abmahnung nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Zu welchen Mitteln ein Arbeitgeber greifen sollte, hängt auch vom sogenannten Nachtatverhalten ab.
Quelle: ArbG Solingen, Urt. v. 11.04.2024 – 2 Ca 1497/23
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(aus: Ausgabe 10/2024)