Sicherlich stimmt die Mehrheit der Autofahrer zu, dass die Verhängung des Regelfahrverbots stets die schlimmste aller Strafen nach einem Geschwindigkeitsverstoß ist. Dennoch darf dieses Bauchgefühl nicht dazu führen, stattdessen die Geldbuße zu verdreifachen, ohne dafür alle Gesamtumstände zu berücksichtigen. Sonst sorgen Gerichte wie das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) dafür, dass sich die Vorinstanzen nochmals der Sache annehmen müssen.
Das Amtsgericht (AG) hatte gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h eine Geldbuße von 600 EUR festgesetzt. Es hatte dabei von der Verhängung des Regelfahrverbots abgesehen und stattdessen die Geldbuße verdreifacht. Hiergegen richtete sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, da sie unter anderem davon ausgeht, dass es an einer Benachteiligung des Betroffenen fehle. Die vom AG vorgenommene Festsetzung der Geldbuße sei im Vergleich zum Fahrverbot das mildere Ahndungsmittel.
Das OLG sah dies aber anders. Zwar führe die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend aus, dass unter dem Aspekt des Verschlechterungsverbots eine (erhöhte) Geldbuße gegenüber einem Fahrverbot die mildere Sanktion sei. Zu klären sei jedoch stets, ob der Betroffene überhaupt beschwert sei – nur dann kann er ein Rechtsmittel gegen das Urteil des AG einlegen, wenn von der härteren Sanktion gegen Erhöhung der milderen Sanktion abgesehen wird. Hier lag die Beschwer des Betroffenen nach Auffassung des Senats bereits darin, dass die Geldbuße signifikant erhöht worden war, nämlich verdreifacht. Hierin liegt eine wirtschaftliche Beschwer innerhalb der verhängten Sanktion, die den Betroffenen zu Unrecht benachteiligen kann. Die Bußgeldkatalogverordnung regelt nämlich, dass bei einem Absehen vom Fahrverbot die Geldbuße angemessen erhöht werden solle. Mangels Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen konnte der Senat daher nicht überprüfen, ob die Erhöhung der Geldbuße um das Dreifache angemessen gewesen sei. Die Feststellung des AG „Die Verdreifachung der Regelgeldbuße erfolgte unter Berücksichtigung der Gesamtumstände“ stelle eine inhaltslose Floskel dar, weil das Urteil sich nicht zu diesen „Gesamtumständen“ verhält. Der Senat hatte den Fall daher zurück an das AG zur erneuten Verhandlung verwiesen.
Hinweis: Verhängt das Bußgeldgericht ein erhöhtes Bußgeld und sieht dabei von der Verhängung eines Fahrverbots ab, verstößt dies zwar nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht gegen das Verschlechterungsverbot. Ist dieser Rechtsfolgenausspruch aber rechtsfehlerhaft, liegt hierin eine Beschwer des Betroffenen, weil die Erhöhung der Geldbuße innerhalb dieser Sanktionsform eine wirtschaftliche Belastung darstellt, so dass das Urteil zu seinem Nachteil auf diesem Rechtsfehler beruhen kann.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 19.06.2024 – I ORbs 60/24
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(aus: Ausgabe 09/2024)