Immer, wenn es um Scheinselbständigkeit geht, wird es für den entsprechenden Auftrag- oder Arbeitgeber im Nachhinein meistens richtig teuer. Im folgenden Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging, handelte es sich um einen Rechtsanwalt – und der hätte besser wissen müssen, welche Anhaltspunkte für eine Scheinselbständigkeit sprechen.
Ein seit 1982 niedergelassener Rechtsanwalt beschäftigte als Alleininhaber seiner Kanzlei zwölf Anwälte als selbständige freie Mitarbeiter. Vor Beginn ihrer Kanzleitätigkeit schloss er mit den Rechtsanwälten einen schriftlichen Vertrag über eine Zusammenarbeit und eine weitere schriftliche Zusatzvereinbarung. Im Mitarbeitervertrag war geregelt, dass der jeweilige Rechtsanwalt seine Sozialabgaben selbst abführt, eigenes Personal beschäftigen und selbst werben durfte. Ebenso war dieser berechtigt, das vereinbarte Jahresgehalt in monatlichen Teilbeträgen abzurufen. Die Zusatzvereinbarung sah dann aber vor, dass die Beschäftigung eigenen Personals und die Bearbeitung von Mandaten außerhalb der Kanzlei der Zustimmung der Kanzlei bedurften und Werbemaßnahmen abzustimmen und zu genehmigen waren. Sofern sie keine Termine wahrzunehmen hatten, arbeiteten die Anwälte in den Kanzleiräumen und waren nur für den Kanzleiinhaber tätig, der ihnen auch die zu bearbeitenden Mandate zuwies.
Das vorinstanzliche Landgericht verurteilte den Anwalt wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 189 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Daneben hat es eine Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 200 EUR verhängt sowie die Einziehung der Erträge aus der Tat in Höhe von ca. 120.000 EUR angeordnet.
Vom BGH wurde das Urteil bestätigt. Es bestanden zwischen dem Rechtsanwalt und seinen zwölf angestellten Anwälten sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Die vertraglichen Vereinbarungen – insbesondere aber die tatsächlichen Gegebenheiten und das Fehlen jedweden unternehmerischen Risikos – belegten, dass die Rechtsanwälte ihre Tätigkeit nicht als selbständige freie Mitarbeiter, sondern als abhängig Beschäftigte ausgeübt hatten.
Hinweis: Der Rechtsanwalt hatte sich also strafbar gemacht. Neben den strafrechtlichen Folgen und der Abschöpfung des Gewinns muss er auch noch befürchten, Sozialversicherungsbeiträge für die angestellten Anwälte zahlen zu müssen.
Quelle: BGH, Urt. v. 08.03.2023 – 1 StR 188/22
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 08/2023)