Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft dient der Sicherung des Nachlasses, was insbesondere in den Fällen wichtig ist, in denen die Erben (noch) unbekannt sind. Der Nachlasspfleger übernimmt dann die gesetzliche Vertretung des noch unbekannten Erben und hat die Aufgabe, den Nachlass bis zur Ermittlung zu sichern und zu verwalten. Ob und wann eine solche Nachlasspflegschaft auch vonnöten sein kann, wenn alle potentiellen Miterben bekannt sind, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) beantworten.
Der Erblasser war im Jahr 2021 verstorben. Seine erste Ehefrau beantragte einen Erbschein unter Verweis auf ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament der damaligen Eheleute, wonach sie zur Alleinerbin berufen wurde. Die Kinder des Erblassers aus einer anderen Beziehung hatten jedoch Zweifel an der Echtheit des Testaments, die sich im Erbscheinsverfahren nach Einholung eines graphologischen Gutachtens auch bestätigten. Gegen die vermeintliche Erbin wurden strafrechtliche Ermittlungen sowie ein Erbunwürdigkeitsverfahren eingeleitet, das Nachlassgericht ordnete wiederum eine Nachlasspflegschaft zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses an. Der daraufhin entstandene gerichtliche Streit drehte sich um einen hochwertigen Pkw, den der Nachlasspfleger zur Sicherung des Nachlasses veräußern wollte.
Das Nachlassgericht erteilte ihm hierzu rechtmäßig die Genehmigung, was auch das OLG bestätigte. Das Gericht stellte klar, dass ein Erbe auch dann unbekannt ist, wenn ein Rechtsstreit über eine Erbberechtigung schwebt. Dies gilt auch dann, wenn alle infragekommenden Erben bekannt sind. Maßgeblich ist nämlich, dass das Nachlassgericht zum Zeitpunkt der Einrichtung der Nachlasspflegschaft noch nicht davon überzeugt ist, wer von diesen infrage kommenden Personen der wahre Erbe geworden ist.
Hinweis: Soweit Erbunwürdigkeit im Raum steht, ist es in der Regel ausreichend, wenn die Klage erhoben und die Anfechtung erfolgt ist. Eine Entscheidung hierüber ist für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft nicht zwingend erforderlich.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.01.2023 – 14 W 112/22
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(aus: Ausgabe 03/2023)