Durch einen Erbvertrag wird das Recht des Erblassers, über sein Vermögen zu Lebzeiten zu verfügen, nicht eingeschränkt. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Erblasser zu Lebzeiten eine Schenkung gemacht hat, um den oder die Vertragserben zu beeinträchtigen. In diesem Fall kann der Erbe von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen. Diese rechtliche Konstellation war Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG).
Die Erblasserin veräußerte im Jahre 2014 ihren Grundbesitz zu einem Kaufpreis von 300.000 EUR an den Sohn. Der Kaufvertrag sah eine zinslose Stundung des Kaufpreises vor. Der Sohn war dazu verpflichtet, monatliche Tilgungsbeiträge zu je 2.000 EUR zu leisten. Im Jahr 2015 setzten sich die Eltern wechselseitig zu Alleinerben und die Tochter zur Schlusserbin nach dem Längstlebenden ein. Im Wege eines Vermächtnisses verfügten sie, dass nach dem Tod des Längstlebenden der restliche Kaufpreis des Grundstücks erlassen werde. Nach dem Tod des Ehemanns setzte die Erblasserin hingegen bereits im Jahr 2021 ein Schriftstück auf, in dem sie erklärte, dass sowohl sie als auch ihr Mann gegenüber dem Sohn auf die Zahlung des restlichen Kaufpreises verzichtet hätten. Die Tochter war nach dem Tod der Mutter der Ansicht, dass dieser Verzicht eine missbräuchliche Benachteiligung ihrer Erbenstellung sei, da bei einer Fortzahlung der Kaufpreisraten diese zum Teil der Erbmasse geworden wären.
Dieser Ansicht schloss sich das OLG im Ergebnis jedoch nicht an. Zunächst stellte es klar, dass ein Erblasser über sein Vermögen unter Lebenden grundsätzlich frei verfügen kann – auch wenn er durch einen Erbvertrag eine Verfügung von Todes wegen festgelegt hat. Nur ausnahmsweise ist diese Freiheit eingeschränkt – und zwar, wenn die Schenkungen in der Absicht erfolgen, den Vertragserben missbräuchlich zu benachteiligen. Es kommt laut OLG darauf an, ob die Schenkung auf eine Korrektur des Erbvertrags angelegt war. Das wird angenommen, wenn der Erblasser ohne ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse wesentliche Vermögenswerte anderen zuwendet. Hier konnte das OLG aber darauf abstellen, dass sich sowohl der Sohn als auch die Tochter umfangreich um die Erblasserin und den vorverstorbenen Vater gekümmert hatten und der Lebensunterhalt der Eltern auch ohne die monatlichen Raten gesichert war. Deshalb war der Erlass der Kaufpreisraten als sittlich billigenswert anzuerkennen. Die Schwester hatte damit keinen Anspruch auf weitere Kaufpreisraten für das Grundstück.
Hinweis: Der Beschenkte muss die Umstände darlegen, die auf ein berechtigtes Interesse des Erblassers schließen lassen. Anschließend trifft den Vertragserben die Beweislast dafür, dass es sich um eine nicht billigenswerte Beeinträchtigung des Vertragserben handelt.
Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.07.2024 – 3 U 14/24
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 09/2024)