Immer wieder geht es in Erbschaftssachen um die Auslegung des einst Geschriebenen – so auch im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG). Hier war das Gericht mit der Auslegung eines Testaments betraut, in dem die Erblasserin erst im Februar 2000 und dann im Oktober 2013 Anweisungen bezüglich ihres Grundvermögens gemacht hatte.
Zunächst hatte die Erblasserin verfügt, dass sie ihr Haus ihrem Enkelsohn vermacht und dieser nach ihrem Tod das Haus erben solle. Im Jahr 2013 ergänzte sie das Testament auf der Rückseite des Schriftstücks und verfügte, dass ihr Mann alleiniger Erbe des Vermögens und des Hauses werden solle, sollte sie vor ihm versterben. Gleichfalls verfügte sie, dass der Ehemann das besagte Haus nach seinem Tod an den Enkel vererben solle. Die Tochter des in der Tat nachverstorbenen Ehemanns beantragte schließlich einen Erbschein, der ihren Vater als Alleinerben ihrer Mutter ausweisen sollte, während der Enkel der Erblasserin der Meinung war, dass er als Nacherbe eingesetzt wurde. Das Nachlassgericht hat den Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen und entschieden, dass die Erblasserin ihren Ehemann als Vorerben und den Enkel als Nacherben einsetzen wollte. Die Bedingung für den Eintritt der Nacherbfolge – der Tod des Vorerben – sei eingetreten.
Das OLG kommt zu dem Schluss, dass der Ehemann der Erblasserin nicht uneingeschränkt alleiniger Vollerbe des gesamten Nachlasses geworden sei, sondern gemäß Auslegung lediglich Vorerbe wurde. Das Testament zeigt den Willen der Erblasserin, dass das Grundstück letztlich dem Enkel zufallen solle. Auch konnte das Gericht bereits einen verbindlichen Willen der Erblasserin feststellen, dass es dieser eben gerade darauf ankam, dass der Enkel auch nach dem Tod des Ehemanns die Immobilie erhalten sollte. Dieses Ergebnis konnte sie mit dieser Verbindlichkeit aber nur durch Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft erreichen.
Hinweis: Eine gegenständlich beschränkte Nacherbfolge kann erreicht werden, indem der Vorerbe alle übrigen Nachlassgegenstände (mit Ausnahme der Immobilie) als Vorausvermächtnis erhält. Ein Vorausvermächtnis unterliegt nicht der Nacherbfolge.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 02.11.2023 – 3 W 117/22
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(aus: Ausgabe 01/2024)