Am folgenden Fall des Verwaltungsgerichts Berlin (VG) scheiden sich die Geister – nicht nur die motorisierter Verkehrsteilnehmer. Denn es geht um die Aktionen der Letzten Generation. Und da augenscheinlich zumeist Kraftfahrzeugfahrer zu den Leidtragenden der Klebeaktionen gehören, haben wir diesen Beitrag auch im Verkehrsrecht angesiedelt. Die Frage war, ob die Berliner Polizei berechtigt ist, Gebühren von Demonstrierenden der Klimabewegung dafür zu verlangen, dass sie deren Klebeverbindung auflöst und die Personen vom Ort wegträgt.
Der Antragsteller hatte sich im Juni 2022 zusammen mit mehreren anderen Personen auf einer Straßenkreuzung in Berlin festgeklebt, um so gegen die Klimapolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. Nachdem er durch die Polizei zum Verlassen der Fahrbahn aufgefordert worden war, dem aber nicht nachgekommen ist, lösten Einsatzkräfte die Klebeverbindung und trugen ihn von der Fahrbahn. Dafür erhob die Polizei Berlin von ihm eine Gebühr in Höhe von 241 EUR. Die Begründung: Der Straßenverkehr sei durch die Sitzblockade des Antragstellers erheblich behindert worden, was eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dargestellt habe. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Antragsteller hiergegen Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Der Eilantrag gegen den kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Gebührenbescheid hatte vor dem VG Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts erfasst der von der Polizei herangezogene Gebührentatbestand die vorliegende Konstellation nicht. Zwar sieht die Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses vor, dass vom Gebührenschuldner für die unmittelbare Ausführung von Maßnahmen und für Ersatzvornahmen zur Gefahrenabwehr für Personen in Notlagen je Einsatzfall 241 EUR zu fordern ist. Diese Voraussetzung habe hier allerdings nicht vorgelegen. Denn bei der zugrundeliegenden Maßnahme hat es sich weder um eine Ersatzvornahme noch um eine unmittelbare Ausführung gehandelt.
Eine Ersatzvornahme liegt nur bei einer vertretbaren Handlung vor, deren Vornahme durch einen anderen möglich sei. Das sei hier gerade nicht der Fall, weil nur der Antragsteller selbst sich habe entfernen können. Es habe sich aber ebenso wenig um eine unmittelbare Ausführung gehandelt. Denn diese setze eine polizeiliche Maßnahme voraus, die ohne den Willen des Pflichtigen durchgeführt wurde – nicht aber (wie hier) gegen diesen.
Wenn dies anders zu beurteilen sein sollte, habe die Maßnahme ausweislich der Begründung des Gebührenbescheids jedenfalls nicht der Gefahrenabwehr für Personen gedient, sondern allein dem Zweck, den ungehinderten Straßenverkehr zu ermöglichen.
In Folge der Entscheidung muss die Polizei dem Antragsteller die bereits gezahlte Gebühr vorerst zurückerstatten.
Hinweis: Da eine Gebührenerhebung wegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht bundeseinheitlich, sondern durch jedes Bundesland selbst geregelt wird, kann die Rechtslage in anderen Bundesländern abweichen. Dasselbe gilt für Einsätze der Bundespolizei.
Quelle: VG Berlin, Beschl. v. 21.09.2023 – VG 1 L 363/23
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(aus: Ausgabe 11/2023)