Gemeinschaftliche Testamente von Eheleuten haben allein deshalb eine sondere Bedeutung, weil sie bei einer wechselbezüglichen Verfügung durch ihre Bindungswirkung nach Tod des Erstversterbenden nicht mehr abgeändert werden können. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) hatte im Folgenden in einem Erbfall die Frage zu klären, ob es sich bei insgesamt drei Urkunden überhaupt noch um ein gemeinschaftliches Testament der betreffenden Eheleute gehandelt haben kann.
Die im Jahr 2021 verstorbene Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann am 02.08.1984 zunächst jeder für sich ein handschriftliches Testament errichtet, in dem jeder Ehegatte im Fall des Todes den anderen zum alleinigen Erben eingesetzt hatte. Am selben Tag errichteten beide Ehegatten gemeinsam ein weiteres Testament, in dem sie für den Fall des gemeinsamen Todes die drei Kinder zu gleichen Teilen zu ihren Erben einsetzten. Kurz vor ihrem Tod im Jahr 2021 errichtete die Erblasserin schließlich ein weiteres notarielles Testament, in dem sie einer Tochter einen Erbteil von 65 % und den weiteren Kindern Erbteile zu je 17,5 % zuwandte. Die Konsequenz war absehbar: Die Kinder stritten sich über die Wirksamkeit des zuletzt errichteten notariellen Testaments.
Das OLG war im Ergebnis der Ansicht, dass es sich bei den Verfügungen von Todes wegen im Jahr 1984 um ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute gehandelt hat, das aufgrund der dort enthaltenen wechselbezüglichen Verfügungen zur Schlusserbeneinsetzung Bindungswirkung nach dem Tod des vorverstorbenen Ehemannes erlangt hat und von der Erblasserin nicht mehr abgeändert werden konnte.
Für die Beurteilung, ob es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelt, war hier ausschließlich auf den Willen der Eheleute abzustellen, gemeinschaftlich zu testieren. Es komme eben nicht darauf an, ob dies in einer einzigen Urkunde geschehe. So könne sich auch aus den Umständen des Testaments selbst oder des Errichtungsvorgangs ergeben, ob von einer Gemeinschaftlichkeit des Testierens auszugehen ist. Der Umstand, dass die Ehegatten ihre Testamente am selben Tag und am selben Ort errichtet hatten, ist zunächst nur ein Indiz für die Gemeinschaftlichkeit. Treten weitere Umstände hinzu – beispielsweise die Aufbewahrung der Urkunden in einem gemeinsamen Umschlag oder die Verwendung eines einheitlichen Briefpapiers -, kann auch dies für eine gemeinschaftliche Errichtung sprechen. Entscheidend war für das OLG jedoch, dass die Erblasserin selbst im Zusammenhang mit der Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments nach dem Tod ihres Ehemannes an Eides statt versichert hatte, dass das gemeinschaftliche Testament (auch) Verfügungen für den Erbfall des überlebenden Ehegatten enthalte. Somit war aus Sicht des OLG gut dokumentiert, dass auch die Erblasserin selbst von einer gemeinschaftlichen Errichtung eines Testaments ausgegangen war. Aufgrund der sich hieraus ergebenden Bindungswirkung war es ihr dann aber auch nicht mehr möglich, nach dem Tod ihres Ehemanns eine abweichende Schlusserbeneinsetzung vorzunehmen.
Hinweis: Die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen, die bei gemeinschaftlichen Testamenten eine Bindungswirkung auslösen, muss für jede einzelne Verfügung geprüft werden.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 04.01.2023 – 14 W 89/22
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(aus: Ausgabe 03/2023)