Unsere Pläne fallen dem echten Leben oftmals zum Opfer. Das passiert natürlich auch mit Nachlassplanungen, die gestern noch aktuell waren und heute obsolet sind. Wenn es einer solchen Entwicklung an schriftlicher Deutlichkeit fehlt, kommt es zu Unstimmigkeiten darüber, was eigentlich gemeint war. Im Folgenden war das betraute Oberlandesgericht München (OLG) durchaus anderer Meinung als das Nachlassgericht.
Die im Jahr 2020 verstorbene Erblasserin hinterließ ein handschriftliches Testament vom 07.03.2020, mit dem sie ihren Lebensgefährten als Alleinerben einsetzte und ihre Brüder enterbte. Das Testament wies über alle drei Seiten Durchstreichungen auf. Ein undatiertes maschinenschriftliches Testament mit dem gleichen Inhalt wurde ebenfalls gefunden. Der Lebensgefährte beantragte einen Erbschein, den das Nachlassgericht zunächst ankündigte. Die Brüder der Erblasserin erhoben jedoch hiergegen Beschwerde.
Das Nachlassgericht begründete seine ablehnende Entscheidung damit, dass die Durchstreichungen im Testament nicht als Widerruf zu werten seien. Ein Sachverständigengutachten konnte nicht klären, wann die Durchstreichungen erfolgten. Zweifel an der Widerrufsabsicht wurden daher zu Lasten der Brüder ausgelegt. Doch auch die Beschwerde beim OLG und eine Rückverweisung an das Nachlassgericht verschaffte keine Abhilfe. Das Nachlassgericht stützte seine Entscheidung nun darauf, dass bei angenommener Urheberschaft der Streichungen des Erblassers zwar eine Vermutung für einen Aufhebungswillen bestehe. Ergibt sich aber aus der Streichung lediglich der Wille des Erblassers, eine neue letztwillige Verfügung vorbereiten zu wollen, gilt die alte Verfügung weiter. Das Nachlassgericht war der Ansicht, dass derartige Zweifel bestünden, da die Erblasserin noch kurz vor ihrem Tod Dritten gegenüber geäußert habe, dass ihre Brüder nach wie vor enterbt bleiben sollten.
Das OLG hat auch diese Entscheidung des Nachlassgerichts aufgehoben. Es stellte fest, dass die Erblasserin die Streichungen durchaus in Widerrufsabsicht vorgenommen habe. Das Testament befand sich bis zu ihrem Tod in ihrem Besitz, und der Lebensgefährte selbst hatte kein Interesse an den Veränderungen. Daher galt die gesetzliche Vermutung, dass die Erblasserin die Streichungen in Widerrufsabsicht vorgenommen habe. Der Erbscheinsantrag des Lebensgefährten wurde zurückgewiesen.
Hinweis: Die Feststellungslast für die Wirksamkeit eines Testaments trägt derjenige, der Rechte aus dem Testament herleiten will. Die gleiche Feststellungslast trifft auch denjenigen, der sich auf eine Widerrufshandlung des Erblassers beruft.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 13.10.2023 – 33 Wx 73/23 e
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(aus: Ausgabe 01/2024)