Ein Vorerbe ist nach dem Eintritt der Nacherbfolge verpflichtet, dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsgemäßen Verwaltung ergibt. Wie eine solche ordnungsgemäße Verwaltung zu verstehen ist und welche Pflichten und Rechte sich daraus ergeben, klärte der Bundesgerichtshof (BGH) im Folgenden.
Der im Jahr 2006 verstorbene Erblasser hinterließ seine Ehefrau als Vorerbin aufgrund eines Erbvertrags aus dem Jahr 1970. Die Eheleute hatten seinerzeit bestimmt, dass die Abkömmlinge Nacherben sein sollten. Darüber hinaus wurde zwischen den Eheleuten eine Gütergemeinschaft vereinbart, zu der im Wesentlichen drei Grundstücke als sogenanntes Gesamtgut gehörten. Nach dem Tod des Erblassers beliefen sich die Verbindlichkeiten auf etwa 330.000 EUR. Die Mieteinnahmen aus den Immobilien bezog die Witwe, die im Jahr 2012 zwei dieser Grundstücke veräußerte und die Verbindlichkeiten damit auf etwa 120.000 EUR reduzierte. Der Sohn verlangte als Nacherbe von seiner Mutter eine Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens 150.000 EUR mit der Begründung, dass der Nachlass durch die Grundstücksverkäufe geschmälert worden sei und ihm deshalb möglicherweise Schadensersatzansprüche zustünden, da die Mutter die Vorerbschaft nicht ordnungsgemäß verwaltet habe.
Nachdem zunächst das Landgericht und auch das Oberlandesgericht (OLG) die Witwe zu einer solchen Sicherheitsleistung verpflichteten, hob der BGH die Entscheidungen auf und verwies die Angelegenheit an das OLG zurück. Nach Ansicht des BGH sei das OLG voreilig von einem Schadensersatzanspruch des Nacherben ausgegangen. Ein Anspruch auf Sicherheitsleistung könne aber nur bestehen, wenn ein tatsächlicher Schadensersatzanspruch vorgelegen hätte. Die Vorerbin sei aufgrund des Erbvertrags berechtigt gewesen, über das Gesamtgut der Gütergemeinschaft auch ohne Zustimmung der Nacherben zu verfügen. Ein Schadensersatzanspruch könne bestehen, wenn die Verkäufe der Grundstücke nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entsprochen hätten. Diese Frage müsse nun das Berufungsgericht umfassend klären. Ein Schadensersatzanspruch könne aber nicht mit dem Verkauf der Grundstücke begründet werden, da die Witwe hierüber frei verfügen durfte. Darüber hinaus könne ein möglicher Schadensersatzanspruch auch nicht mit den entgangenen Mieteinnahmen nach dem Verkauf der Grundstücke begründet werden, da diese Mieteinnahmen der Vorerbin zur freien Verfügung zugestanden haben.
Hinweis: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Verfügungen zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich waren, trägt der Vorerbe.
Quelle: BGH, Urt. v. 26.06.2024 – IV ZR 288/22
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(aus: Ausgabe 10/2024)