Wer „arm im Sinne des Gesetzes“ ist, kann Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt bekommen. Dazu gehört auch eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse, und das bis vier Jahre nach Verfahrensabschluss. Wem VKH (auch Prozesskostenhilfe) bewilligt wurde, muss in dieser Zeit unaufgefordert mitteilen, wenn sich die wirtschaftliche Situation verbessert hat. Ein Unterlassen kann zur Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung führen – wo wir beim Kernpunkt des folgenden Falls sind, den das Oberlandesgericht Dresden (OLG) zu entscheiden hatte.
Einer Mutter, deren einziges Einkommen Elterngeld war und die in einen Umgangsstreit vor Gericht verwickelt war, wurde VKH zugestanden. Nach dem Verfahren war sie dann auch wieder berufstätig geworden und bezog dadurch deutlich höhere Einkünfte als das Elterngeld – allerdings immer noch so wenig, dass sie weiterhin „arm“ war. Dennoch entzog das Amtsgericht ihr die bewilligte VKH und forderte über 3.000 EUR – und zwar als Sanktion dafür, dass sie die Einkommenserhöhung nicht unaufgefordert mitgeteilt hatte.
Das Gericht kann die Bewilligung der VKH aufheben, wenn der Beteiligte dem Gericht wesentliche Verbesserungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Bezieht er ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zugrunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 EUR übersteigt. Dies gilt entsprechend, wenn abzugsfähige Belastungen entfallen. Es stand daher die Frage im Raum, ob durch die Einkommenserhöhung von „100 EUR monatlich mehr“ die Bedürftigkeitsvoraussetzungen entfallen. Das OLG erläuterte, dass diese Rechtsfrage durchaus uneinheitlich beantwortet wird, und stellte sich daraufhin auf die Seite der Frau. In den Augen des OLG könnten vom Gesetzgeber nur verschwiegene Einkommenserhöhungen, mit denen man aus der Armutsgrenze herauskommt, gemeint gewesen sein. Und über diese Schwelle ist die Frau hier leider noch nicht gegangen.
Hinweis: Die Mitteilungspflichten gehen aus dem Kleingedruckten im Formular hervor, das der VKH-Antragsteller ausfüllen und unterschreiben muss. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass diese Hinweise selten gelesen werden. In den meisten Bewilligungsbeschlüssen zur VKH wird der Hinweis auf diese Pflicht auch nicht wiederholt.
Quelle: OLG Dresden, Urt. v. 14.08.2023 – 18 WF 203/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 10/2023)