Rechtsstreitigkeiten vor dem Hintergrund der Höfeordnung spielen zumeist in ländlichen Gegenden eine Rolle. Die Höfeordnung regelt die Erbfolge bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland. Durch diese spezielle gesetzliche Regelung soll sichergestellt werden, dass landwirtschaftliche Familienbetriebe über Generationen hinweg erhalten bleiben. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) musste entscheiden, ob ein Verzicht auf den Pflichtteil und die Nachabfindung im Nachhinein für sittenwidrig erklärt werden kann.
Im Jahr 2013 hatte der verstorbene Erblasser zunächst im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Baugrundstück an seine Töchter übertragen. Im Rahmen des Überlassungsvertrags verzichteten diese für sich und ihre Abkömmlinge auf etwaige Pflichtteilsansprüche nach ihren Eltern einschließlich etwaiger Nachabfindungsansprüche aus der Höfeordnung. Im Jahr 2002 übertrug der Erblasser den Hof dann an den Sohn ebenfalls im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Dann verkaufte der Sohn den Hof nach dem Tod des Erblassers und gab an, dies aus gesundheitlichen Gründen machen zu müssen. Eine der Schwestern war nun der Ansicht, dass der Verzicht auf den Pflichtteil sowie die Nachabfindung unwirksam seien, da die „Millionenbeträge“, die der Sohn durch die Veräußerung erhalte, in einem krassen Missverhältnis zum Verzicht auf den Pflichtteil und die Nachabfindung stehe. Zudem habe sie den Verzicht ihrerseits in der Annahme erklärt, dass der Bruder den Hof des Erblassers weiterführen werde.
Das OLG hat den Antrag der Tochter des Erblassers zurückgewiesen und dies unter anderem damit begründet, dass ein bloßer Wertunterschied – selbst in Millionenhöhe – zwischen dem an den Verzichtenden gezahlten Abfindungsbetrag und möglichen Erb- und Pflichtteilsansprüchen nicht zu einer Sittenwidrigkeit der Vereinbarung führt. Erbverzichtsverträge sind grundsätzlich stark risikobehaftet, weshalb bei der Beurteilung der Frage einer Sittenwidrigkeit nach Auffassung des OLG äußerste Zurückhaltung geboten sei.
Hinweis: Die Annahme einer Sittenwidrigkeit kann dann in Betracht kommen, wenn der Verzichtende durch Täuschung oder Nötigung zur Abgabe seiner Willenserklärung gebracht wurde.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 19.09.2023 – 7 W 17/23 (L)
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(aus: Ausgabe 12/2023)