Steht eine Verurteilung in einer Bußgeldsache einer weiteren Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis entgegen, wenn beide Taten zeitgleich im selben Fahrzeug verwirklicht werden? Das Amtsgericht Kaiserslautern (AG) meinte ja – das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) sah das jedoch anders.
Der Angeklagte hatte im Dezember 2022 mit seinem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen, obwohl er nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war. Bei einer Verkehrskontrolle wurde zudem festgestellt, dass der Angeklagte den Termin zur Vorführung seines Fahrzeugs zur Hauptuntersuchung (HU) überschritten hatte. Daher wurden sowohl ein Strafverfahren als auch ein Bußgeldverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet. Das AG hatte den Angeklagten wegen einer Ordnungswidrigkeit des fahrlässigen Überschreitens des Termins zur Vorführung zur HU in dem Bußgeldverfahren zu einer Geldbuße von 60 EUR verurteilt. Das Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis wurde durch das AG jedoch eingestellt, da es davon ausgegangen ist, dass durch die Verurteilung in der Bußgeldsache in der Strafsache ein sogenannter Strafklageverbrauch eingetreten sei – niemand darf wegen einer Tat mehrmals abgeurteilt werden.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat das OLG das nun Urteil aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das AG zurückverwiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass das in der Bußgeldsache ergangene Urteil der Verfolgung des Vorwurfs des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht entgegenstehe. Die Ausführungshandlungen der beiden Delikte deckten sich nicht einmal teilweise. Bei der Ordnungswidrigkeit habe der Angeklagte in seiner Funktion als Kfz-Halter den Entschluss gefasst, einer gesetzlichen Handlungspflicht nicht nachzukommen. Sein Entschluss für das Fahren ohne Fahrerlaubnis beruhe hingegen auf einem gesondert gefassten Tatentschluss. Eine sogenannte „innere Verknüpfung“ beider Handlungen, die über eine bloße punktuelle Gleichzeitigkeit hinausgehe, liege daher nicht vor.
Hinweis: Sogenannte materiell-rechtlich selbständige Taten sind meist auch prozessual selbständig, falls nicht besondere Umstände die Annahme einer Tat rechtfertigen. Letzteres wird angenommen, wenn die Handlungen innerlich stark miteinander verknüpft sind, so dass nur ihre gemeinsame Würdigung sinnvoll und möglich ist, während eine getrennte Würdigung sowie Aburteilung in verschiedenen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden werden würde.
Quelle: OLG Zweibrücken, Urt. v. 29.01.2024 – 1 ORs 1 SRs 16/23
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(aus: Ausgabe 07/2024)