Die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer ist immer wieder Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen. Dass in der Regel vor einer derartigen Kündigungskonstellation die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen ist, war dem Arbeitgeber im Fall des Arbeitsgerichts Iserlohn (ArbG) womöglich bekannt. Dass ein diesbezügliches Versäumnis sich aber auf den Fristablauf einer Kündigungsschutzklage auswirkt, mutmaßlich eher nicht.
Der Arbeitgeber hatte einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gekündigt. Der Beschäftigte hatte sich daraufhin mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung gewehrt. Diese wollte der Arbeitgeber jedoch nicht gelten lassen und vertrat den Standpunkt, dass sie verspätet eingereicht worden sei. Der Arbeitgeber hatte allerdings nicht die notwendige Zustimmung des Integrationsamts eingeholt. Diese wäre jedoch nach § 168 Sozialgesetzbuch IX erforderlich gewesen. Der Arbeitnehmer argumentierte, dass deshalb nicht nur die Kündigung unwirksam sei, sondern auch die Frist für die Kündigungsschutzklage nicht begonnen habe. Deshalb sei die Kündigungsschutzklage noch rechtzeitig erhoben worden.
Das ArbG entschied, dass der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage nicht nur rechtzeitig eingereicht habe, sondern damit auch noch erfolgreich war: Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Die dreiwöchige Klagefrist beginnt nämlich erst mit Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung an den Arbeitnehmer (§ 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)). Diese Bekanntgabe gab es jedoch nicht, da es den Antrag auf Zustimmung schon gar nicht gab. Und genau deshalb sei die Klagefrist logischerweise auch nicht verstrichen. Das ArbG wies im Zusammenhang mit der Entscheidung aber auch darauf hin, dass sich Beschäftigte nicht unbegrenzt Zeit lassen dürfen. Schließlich verwirke das Klagerecht irgendwann. Nach § 5 KSchG können Gekündigte zwar die Zulassung einer verspäteten Klage beantragen, wenn sie zum Beispiel wegen Krankheit an einer rechtzeitigen Klage gehindert waren. Ein solcher Antrag sei allerdings nur innerhalb von sechs Monaten ab Ablauf der Dreiwochenfrist möglich. Und eben diese Sechsmonatsfrist gelte ebenso für die Verwirkung.
Hinweis: Ohne Zustimmung des Integrationsamts darf ein Arbeitgeber nur kündigen, wenn das Beschäftigungsverhältnis noch keine sechs Monate existiert oder der schwerbehinderte Arbeitnehmer das 58. Lebensjahr vollendet und Anspruch auf eine Sozialplanabfindung hat.
Quelle: ArbG Iserlohn, Urt. v. 24.10.2023 – 4 Ca 675/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 04/2024)