Als Arbeitnehmer Missstände in Unternehmen aufzuklären, ist zwar nach wie vor heikel, wenngleich nicht mehr unmöglich – auch dank externer Meldestellen. Was aber nach wie vor nicht geht, ist, Verdachtsmomente ohne jegliche Prüfung offiziell zu machen. Denn was dann passiert, machte das Landesarbeitsgericht Thüringen (LAG) deutlich.
Ein in einer Klinik beschäftigter Therapeut war davon überzeugt, dass sein Arbeitgeber für den Tod eines Patienten mitverantwortlich sei. Der Patient hatte ihm vor seinem Tod mitgeteilt, dass er mehrfach vergeblich um eine Untersuchung durch einen Facharzt gebeten habe. Außerdem sei seine Patientenakte entfernt und manipuliert worden. Der Mitarbeiter veröffentlichte diese Vorwürfe im Internet auf einer Gedenkseite, die er für den Patienten eingerichtet hatte. Zudem prangerte er seinen Arbeitgeber in einem Internetartikel sowie in einem Brief an. Letzterer war adressiert mit „Fachklinik für Bossing & Mobbing inkl. Verleumdungen und Datenschutzverletzungen“. Der Arbeitgeber kündigte deshalb fristlos, wogegen der Mitarbeiter klagte – jedoch vergeblich.
Das LAG konnte nicht anders, als die Klage abzuweisen. Denn der Therapeut hatte sich mit seinen Vorwürfen allein auf die Aussagen des Patienten verlassen, ohne diese in irgendeiner Weise zu prüfen. Aber genau dazu wäre er verpflichtet gewesen.
Hinweis: Auch nach Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes im Juli 2023 dürfen Arbeitnehmer keine leichtfertigen Anschuldigungen erheben. Sie sind zudem verpflichtet, sich vor einer Veröffentlichung an eine interne oder externe Meldestelle zu wenden.
Quelle: LAG Thüringen, Urt. v. 19.04.2023 – 4 Sa 269/22
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(aus: Ausgabe 11/2023)