Notare sind in einem gewissen Umfang gesetzlich dazu verpflichtet, Urkunden zu erstellen. Verweigert ein Notar die Erstellung einer solchen Urkunde, sind an diese Berechtigung zur Verweigerung hohe Anforderungen geknüpft. Im folgenden Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) verweigerte ein Notar die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses – ob zu Recht, lesen Sie hier.
Der im Jahr 2020 verstorbene Erblasser hatte seine Lebensgefährtin als Alleinerbin eingesetzt. Diese wurde aufgrund eines Teilurteils dazu verpflichtet, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen. Hiermit beauftragte die Erbin einen Notar, der in der Folge eigene Ermittlungen zum Bestand des Nachlasses anstellte. Dazu gehörten unter anderem Einsichten in elektronische Grundbücher mehrerer Amtsgerichte sowie die Einholung von Auskünften über Geschäftsverbindungen des Erblassers bei zehn Kreditinstituten. Der Notar war der Ansicht, dass die Erbin zu klärungsbedürftigen Sachverhalten keine Auskunft erteilen könne, weil sie nur eine verhältnismäßig kurze Zeit mit dem Erblasser zusammen gewesen sei. Da die Erbin ihrer Mitwirkungspflicht daher nicht nachgekommen sei oder nicht nachkommen könne, würde er als Notar ein Nachlassverzeichnis wegen der Vielzahl unklarer Sachverhalte folglich auch nicht erstellen können.
Nachdem das Landgericht zunächst noch zugunsten des Notars entschieden hatte, dass die von ihm angestellten eigenen Ermittlungen angemessen und ausreichend gewesen seien und er aus diesem Grund mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln kein inhaltlich richtiges Nachlassverzeichnis erstellen konnte, hob der BGH diese Entscheidung wieder auf. Er war im Ergebnis der Ansicht, dass die bisherigen Tätigkeiten des Notars noch nicht ausreichend gewesen seien, um alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts auszuschöpfen. Nachdem die Erbin Andeutungen über Schenkungen des Erblassers an seine Enkelin gemacht hatte, hätte der Notar selbst Nachforschungen zu Zeitpunkt und Höhe etwaiger Schenkungen durch Einsichtnahme in Kontoauszüge anstellen müssen. Auch hätte es nahegelegen, die entsprechenden Personen zu möglichen Schenkungen zu befragen. Wenn nach den gebotenen Nachforschungen und einer Mitwirkung der Erbin Zweifel verbleiben, können diese im Nachlassverzeichnis zum Ausdruck gebracht werden. Derlei Zweifel berechtigen jedoch nicht dazu, die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses gänzlich zu verweigern.
Hinweis: Der Notar hat im Rahmen der Ermittlung zum Nachlass alle Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter als erforderlich ansehen würde. Der Notar kann beispielsweise die Erbin auch auffordern, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten durchzusetzen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 19.06.2024 – IV ZB 13/23
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(aus: Ausgabe 09/2024)