Ein Kraftfahrzeug hat nach einer unfallbedingten Reparatur als sogenanntes Unfallfahrzeug einen geringeren Wert auf dem Gebrauchtwagenmarkt hat als ein unfallfreies Fahrzeug. Diesen Wert nennt man den merkantilen Minderwert. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste entscheiden, ob aus diesem Minderwert die Umsatzsteuer herauszurechnen ist.
Die Leasingnehmerin eines Fahrzeugs, die zur Geltendmachung der Ansprüche der Leasinggeberin im eigenen Namen ermächtigt war, nahm nach einem Verkehrsunfall den gegnerischen Haftpflichtversicherer auf restlichen Schadensersatz in Anspruch. Ein von der Klägerin beauftragter Sachverständiger stellte den merkantilen Minderwert von 5.000 EUR fest. Die Beklagte erstattete jedoch lediglich einen Betrag in Höhe von 4.201,68 EUR – mit der Begründung, dass ein Abzug in Höhe des Umsatzsteueranteils vorzunehmen sei. Mit der Klage forderte die Klägerin die Differenz von 798,32 EUR ein.
Das Amtsgericht Coburg hatte der Klage stattgegeben, die anschließende Berufung der Beklagten wurde vom Landgericht Coburg zurückgewiesen. Beide Vorinstanzen sprachen der Leasingnehmerin den merkantilen Minderwert von 5.000 EUR zu, basierend auf dem geschätzten Bruttobetrag. Dies geschah mit der Begründung, dass Sinn und Zweck der Entschädigung des Minderwerts, der lediglich einen fiktiven Wert darstellt und dessen Realisierung völlig ungewiss ist, gegen einen Abzug des Umsatzsteueranteils sprechen.
Der BGH war nun jedoch anderer Meinung: Der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs ist unabhängig davon zu ersetzen, welche Pläne der Geschädigte mit dem Fahrzeug hat. Insbesondere kommt es für die Begründung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts nicht darauf an, ob der Geschädigte das Fahrzeug verkauft und sich der Minderwert tatsächlich im vermuteten geringeren Verkaufspreis manifestiert. Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs – und zwar typischerweise im Inland. Auch wenn die Begründung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts nicht voraussetzt, dass der Geschädigte das Unfallfahrzeug verkauft und sich der Minderwert tatsächlich in einem geringeren Verkaufspreis manifestiert, ist der Berechnung der Höhe dieses Ersatzanspruchs doch gedanklich ein Verkauf zugrunde zu legen. Veräußert ein Unternehmen das Fahrzeug, käme zwar die Umsatzsteuer beim Verkauf oben drauf – diese wäre aber nur ein durchlaufender Posten, der an das Finanzamt weitergeleitet werden würde. Veräußert eine Privatperson das Fahrzeug, dürfte die Umsatzsteuer erst gar nicht berechnet und ausgewiesen werden.
Hinweis: Der BGH legt nachvollziehbar dar, warum der merkantile Minderwert vom Nettoverkaufspreis berechnet werden muss. Um sicherzustellen, dass Geschädigte keine Probleme mit möglichen Kürzungen durch die gegnerische Versicherung haben, sollten Sachverständige in ihren Gutachten ausdrücklich angeben, dass der berechnete Minderwert auf dem Nettoverkaufspreis basiert. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob es sich bei dem Geschädigten um einen Unternehmer oder eine Privatperson handelt. Der Senat hat in drei weiteren Verfahren (Az. VI ZR 205/23, VI ZR 239/23 und VI ZR 188/22) in dieser Frage ebenso entschieden.
Quelle: BGH, Urt. v. 16.07.2024 – VI ZR 243/23
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 11/2024)