Sind Verfügungen von Ehegatten in einem Testament wechselbezüglich, können sie nach dem Tod des Erstversterbenden grundsätzlich nicht nachträglich abgeändert werden. Das Oberlandesgericht München (OLG) war im Folgenden dennoch mit der Auslegung einer solchen Verfügung betraut, da es sich der Erblasser nach dem Tod seiner ersten Gattin doch noch einmal anders überlegt hatte.
Der Erblasser war seit dem Jahr 2020 in zweiter Ehe verheiratet und hatte keine eigenen Kinder. Der Neffe seiner verstorbenen ersten Ehefrau und die Enkelin seines Bruders – die beide Patenkinder der Eheleute waren – waren einst im gemeinschaftlichen notariellen Testament des Erblassers mit seiner ersten Frau aus dem Jahr 2001 als Schlusserben eingesetzt worden. Nach dem Tod des Längstlebenden sollten sie zu gleichen Teilen erben. Darüber hinaus enthielt das Testament eine Ersatzschlusserbeneinsetzung zugunsten der zu diesem Zeitpunkt lebenden Geschwister der Schlusserben. Später änderte der Erblasser diese Regelung jedoch zugunsten seiner zweiten Ehefrau. Drei handschriftliche Testamente, die von der zweiten Ehefrau geschrieben und vom Verstorbenen unterschrieben wurden, setzten sie offensichtlich als Alleinerbin ein. Als der Neffe gemeinsam mit der Enkelin des Erblassers nach dessen Tod einen Erbschein beantragte, erhob die Witwe des Erblassers dagegen erwartungsgemäß Einwendungen.
Das Nachlassgericht gab dem Antrag des Neffen dennoch statt, da das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 2001 ihn und das andere Patenkind als Schlusserben festlegte. Das Testament wurde so ausgelegt, dass die erbrechtlichen Verfügungen wechselbezüglich und bindend waren. Die Änderung zugunsten der zweiten Ehefrau wurde als unwirksam erklärt. Die weiteren handschriftlichen Testamente wurden als nicht formwirksam erachtet, da sie nicht den rechtlichen Anforderungen entsprachen.
Dieser Einschätzung schloss sich schließlich auch das OLG an. Auch wenn das notarielle Testament keine ausdrückliche wechselbezügliche Regelung enthielt, kam das Gericht über eine Auslegung dazu, dass die Schlusserbeneinsetzung der Patenkinder wechselbezüglich getroffen wurde – und damit auch für den Längstlebenden bindend war. Für das OLG spielte hier eine Rolle, dass die Erblasser in dem Testament formulierten, dass „unsere“ Patenkinder als Schlusserben eingesetzt werden. Die Einsetzung erfolgte daher aufgrund eines gemeinsamen Willens beider Eheleute – unabhängig von den familiären Beziehungen. Hierfür sprach nach Ansicht des Gerichts auch, dass als Ersatzschlusserben die Geschwister der Patenkinder benannt wurden, was nochmals verdeutlichte, dass es den Erblassern nicht darauf ankam, nur die jeweiligen Familienstämme zu bedenken. Den eingesetzten Erben wurde der beantragte gemeinschaftliche Erbschein erteilt.
Hinweis: Im Zweifel gilt, dass Verfügungen von Eheleuten dann wechselbezüglich sind, wenn die Ehegatten sich gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 30.01.2024 – 33 Wx 191/23 e
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 04/2024)