Paranoid-schizophrene Mieterin: Kommunale Wohnungsunternehmen müssen vor Kündigung Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten

Artikel vom 04.11.2024

Kommunalen Unternehmen wird bei der Beachtung von Grundrechten besonders auf die Finger geschaut. Zu ihren diesbezüglichen Pflichten gehört daher auch, bei ihren Maßnahmen auf die Verhältnismäßigkeit zu achten. Was wären die Folgen – hier einer Kündigung des Wohnraums -, und hätten mildere Maßnahmen womöglich ebenso zum Ziel führen können – wie hier zur Wiederherstellung des Hausfriedens? Es war das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (AG) gefragt.

Kommunalen Unternehmen wird bei der Beachtung von Grundrechten besonders auf die Finger geschaut. Zu ihren diesbezüglichen Pflichten gehört daher auch, bei ihren Maßnahmen auf die Verhältnismäßigkeit zu achten. Was wären die Folgen – hier einer Kündigung des Wohnraums -, und hätten mildere Maßnahmen womöglich ebenso zum Ziel führen können – wie hier zur Wiederherstellung des Hausfriedens? Es war das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (AG) gefragt.

Es ging um eine Mieterin des größten kommunalen Wohnungsunternehmens Deutschlands. Diese Mieterin litt an einer paranoiden Schizophrenie, die zu erheblichen Verhaltensauffälligkeiten ihrem wohnlichen Umfeld gegenüber führte. Es kam beispielsweise völlig unstreitig zu regelmäßigem Geschrei, lauter Musik, dem Zertrümmern von Gegenständen, Aggressivität gegenüber der Nachbarschaft und ähnlichen Dingen. Schließlich kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis und erhob eine Räumungsklage – dies jedoch vergeblich.

Es kann nach Ansicht des AG der Vermieterin unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zugemutet werden, das Mietverhältnis fortzusetzen. Das Gericht hat dabei insbesondere berücksichtigt, dass die Vermieterin als kommunales Wohnungsunternehmen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegt und somit in besonderem Maße an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden ist. Beim Ausspruch einer Kündigung müssen kommunale Wohnungsunternehmen insbesondere bei vulnerablen Mietern die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und etwaige Grundrechtsbeeinträchtigungen für den Mieter aufgrund der Vertragsbeendigung berücksichtigen. Sie müssen zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch der Kündigung mildere Maßnahmen zur Vermeidung der Kündigung erwägen und diese gegebenenfalls ergreifen. Außerdem können sie zur Einschaltung des sozialpsychiatrischen Dienstes und/oder zum Angebot einer Ersatzwohnung verpflichtet sein, um eine nachhaltige Hausfriedensstörung zu beseitigen.

Hinweis: Eigentlich dürfte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass insbesondere kommunale Wohnungsunternehmen die Regelungen des Grundgesetzes zu beachten haben.

Quelle: AG Hamburg-Wandsbek, Urt. v.  27.07.2024 – 711 C 17/24

zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 11/2024)

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