Eheleute sollten füreinander einstehen. Und genau das tat eine Frau vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG). Das OVG sollte das Urteil der Vorinstanz überprüfen. Doch das Gericht konnte ihr ihren sichergestellten Premiumflitzer ebenso wenig wiedergeben, wie es ihren Gatten entlasten konnte. Denn dieser verhielt sich so renitent, dass sich die Gerichte vielmehr gezwungen sahen, auf die öffentliche Sicherheit abzustellen. Aber lesen Sie selbst.
Im April 2023 befuhr der Ehemann der Antragstellerin mit deren Pkw – einem Porsche – eine Bundesstraße. In der Gegenrichtung war ein Funkstreifenwagen unterwegs. Die Polizeibeamten beobachteten, wie das hinterste der fünf ihnen entgegenkommenden Fahrzeuge – der betreffende Porsche – einen vor ihm fahrenden schwarzen Pkw überholte, aber danach nicht wieder einscherte. Dabei war er nur noch ca. 200 m bis 250 m von dem ihm entgegenkommenden Funkstreifenwagen entfernt. Stattdessen fuhr er mit gleichbleibend hoher Geschwindigkeit auch an einem Kastenwagen vorbei. Um eine Frontalkollision zu vermeiden, bremste der Fahrer des Funkstreifenwagens bis zum Stillstand ab und lenkte das Auto nach rechts an den Fahrbahnrand, um Platz zu schaffen. Der Porsche fuhr währenddessen an dem Kastenwagen vorbei und wechselte etwa 15 m vor dem bereits stehenden Funkstreifenwagen zurück auf die eigene Fahrbahnrichtung. Beim Wiedereinscheren mussten der schwarze sowie der weiße Wagen ebenfalls bremsen, um Platz zu machen und dadurch eine Kollision zu vermeiden.
Der Porschefahrer konnte im Anschluss angehalten werden, wobei die Polizisten den Porsche zur Gefahrenabwehr sicherstellten. Weiter wurde dem Fahrer die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins eröffnet. Gegen die Sicherstellung legte die Antragstellerin Widerspruch ein und suchte um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach, den das Verwaltungsgericht (VG) mit der Begründung ablehnte, die Sicherstellung sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Die gegen den Beschluss des VG eingelegte Beschwerde der Antragstellerin wurde zurückgewiesen. Denn das OVG teilte – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren – die Auffassung der Vorinstanz. Die Aussagen der beiden an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten sowie der weiteren Zeugen ließen alleine den Schluss zu, dass der Ehemann der Antragstellerin bei seinem Überholvorgang rücksichtslos und grob verkehrswidrig gehandelt und damit die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt habe. Der Ansicht der Antragstellerin, eine Gefahrensituation habe bei Erlass der Sicherstellungsanordnung deshalb nicht bestanden, weil ihrem Ehemann die Fahrerlaubnis nun ja bereits vorläufig entzogen worden sei, könne nicht gefolgt werden.
Zwar bestehe kein allgemeiner Erfahrungssatz, wonach ein von der Polizei ertappter „Verkehrssünder“ sich generell unbelehrbar zeige und von den ihm angedrohten Bußgeldern, Fahrverboten und Punkten unbeeindruckt bleibe. Einen solchen Erfahrungssatz habe das VG hier aber auch gar nicht erst angenommen, sondern auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abgestellt – und zwar auf das konkrete Verhalten des Ehemanns der Antragstellerin.
Dabei sei nun auch das OLG zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die handelnden Polizeibeamten im vorliegenden Ausnahmefall aufgrund seines Verhaltens davon ausgehen durften, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ausreiche, um einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch weitere erhebliche Verkehrsverstöße des Ehemanns mittels des von ihm geführten Fahrzeugs zu begegnen. Der Mann habe sich von seinem grob verkehrswidrigen, mehrere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdenden Verhalten völlig unbeeindruckt gezeigt.
Er habe trotz der ihm von den handelnden Polizeibeamten vor Augen geführten Gefährlichkeit seines Überholmanövers jedwede Einsicht vermissen lassen. So habe er ausweislich der Sachverhaltsdarstellung der Polizeibeamten diesen gegenüber angegeben, der ihm aufgrund des Überholmanövers eröffnete Vorwurf der Gefährdung des Straßenverkehrs wegen groben Fehlverhaltens beim Überholen sei lächerlich. Es sei schließlich nichts passiert. Diese Interpretation der Geschehnisse lasse völlig außer Acht, dass sein äußerst gefährlicher Überholvorgang augenscheinlich nur deshalb keine Kollision mit den übrigen Verkehrsteilnehmern zur Folge gehabt habe, weil sowohl der Polizeibeamte als auch die beiden Zeugen diese durch geistesgegenwärtiges Abbremsen bzw. Ausweichmanöver verhindert hätten. Das fehlende Einsichtsvermögen des Ehemanns der Antragstellerin werde noch unterstrichen durch seine weitere Angabe gegenüber den Polizeibeamten, er habe bereits zwei Millionen Kilometer Fahrstrecke ohne Zwischenfälle absolviert, so dass ein Fehler seinerseits völlig ausgeschlossen sei.
Hinweis: Nach § 22 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Bei schwerwiegenden bzw. erheblichen Verkehrsverstößen – Straßenrennen bis zum rechtswidrigen Gebrauch von Behindertenparkplätzen, von Fahren ohne Fahrerlaubnis bis zu groben Geschwindigkeitsverstößen – hält die Rechtsprechung vielfach die Sicherstellung bzw. Beschlagnahme von Fahrzeug und Fahrzeugschlüssel für statthaft, um der Gefahr weiterer Begehung von Verkehrswidrigkeiten und der damit einhergehenden Störung der öffentlichen Sicherheit vorzubeugen.
Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.08.2023 – 7 B 10593/23.OVG
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 11/2023)