Das Gesetz geht davon aus, dass Personen ab dem 16. Lebensjahr grundsätzlich testierfähig sind. Wer aber aufgrund einer krankheitsbedingten Störung der Geistestätigkeit nicht dazu in der Lage ist, die Bedeutung seiner Willenserklärung einzusehen, kann kein wirksames Testament errichten. Besteht ein Streit darüber, ob ein Erblasser testierfähig war, muss dies unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen aufgeklärt werden – und zwar konsequent, wie das folgende Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) darlegt.
Die unverheiratet und kinderlos verstorbene Erblasserin hatte ein eigenhändiges Testament errichtet und die Tochter eines Cousins als Alleinerbin eingesetzt. Da die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments bereits unter Betreuung stand, lehnte das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag unter Bezugnahme auf Unterlagen aus dem Betreuungsverfahren jedoch ab. Es könne davon auszugehen sein, dass die Erblasserin bei Errichtung des Testaments nicht testierfähig war. Aufgrund der schon hiergegen eingelegten Beschwerde zum OLG veranlasste das Nachlassgericht die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass auf der ersten Beurteilungsebene wegen einer nicht näher bezeichneten Demenz der Erblasserin eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit bejaht werden könne. Auf der zweiten Beurteilungsebene hinsichtlich des Einflusses der Störung auf die Testierfähigkeit könne jedoch keine abschließende psychiatrische Beurteilung erfolgen, da es sich widersprechende schriftliche Angaben der privaten Kontaktpersonen gegeben habe. Daraufhin veranlasste das Nachlassgericht die mündliche Anhörung von vier Nachbarn der Erblasserin. Der Sachverständige wurde zu dieser Anhörung jedoch nicht hinzugezogen. Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag daraufhin erneut zurück.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde zum OLG war erfolgreich. Dieses wies darauf hin, dass das Nachlassgericht den Sachverständigen zur Befragung der Zeugen hätte hinzuziehen müssen, um eine fundierte Einschätzung der Testierfähigkeit vornehmen zu können. Dem Sachverständigen hätte damit die Gelegenheit gegeben werden müssen, selbst Fragen an die Zeugen zu richten. Dem Nachlassgericht selbst fehle die Sachkunde, ohne sachverständige Hilfe die Testierfähigkeit eines Erblassers allein aufgrund von ihm eingeholter Zeugenaussagen festzustellen. Das Verfahren wurde an das Nachlassgericht zurückgegeben.
Hinweis: Steht die Frage der Testierfähigkeit im Raum, ist nicht der Rechtspfleger für die Befragung von Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zuständig; vielmehr ist das Verfahren dem Richter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 18.12.2024 – 33 Wx 153/24 e
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(aus: Ausgabe 03/2025)