Manchmal möchte ein Ehegatte auch nach mehr als zwölf Monaten Trennung nicht geschieden werden. Das ist in Fällen eines sogenannten Kindeswohlhärtegrunds sogar auch möglich. Denn nach § 1568 erste Alternative Bürgerliches Gesetzbuch soll selbst eine gescheiterte Ehe nicht geschieden werden, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist. Mit einem solchen Fall wurde das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) betraut.
Die Ehefrau und Mutter von 15 und elf Jahre alten Töchtern trug vor, sie glaube an eine Versöhnung, auch wenn der Mann das für sich kategorisch ausschließe und die Trennung nun schon mehr als zwei Jahre andauere. Eine Scheidung werde auch das Kindeswohl betreffen, denn die jüngere Tochter leide seit dem Auszug des Vaters an Depressionen. Ihre schulischen Leistungen seien schlecht und sie lehne den Kontakt zum Vater ab. Sie könne nicht akzeptieren, dass der Vater sich einer anderen Frau zugewandt habe.
Das OLG akzeptierte die Begründung der Mutter jedoch nicht und stellte fest, dass das Leid der Tochter mit der Trennung und dem Auszug des Vaters zu tun habe – nicht mit dem formalen Akt der Scheidung. Die Härteklausel greife hingegen nur, wenn bei dem Kind durch die Scheidung selbst atypische und ungewöhnliche Folgen verursacht werden, so dass die Aufrechterhaltung der Ehe im Kindesinteresse notwendig ist. Alle für ein Kind nachteiligen Folgen, die bereits auf der Trennung der Eltern und auf dem Scheitern der Ehe als solchem beruhen, können nicht unter die Kinderschutzklausel gefasst werden. Das Leiden der Tochter könne nicht gemindert werden, wenn das Familiengericht die Scheidung nicht durchführt, weil das nicht zur Folge habe, dass der Vater wieder einziehe und die Ehe fortsetzen werde.
Hinweis: Das Familiengericht kann eine Ehe auch gegen den Widerspruch eines Ehegatten scheiden, wenn es sich von der Zerrüttung überzeugt hat – und dies auch vor Ablauf von drei Jahren.
Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.12.2023 – 18 UF 30/23
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(aus: Ausgabe 02/2024)