Vorerben müssen sich an Beschränkungen des Verfügungsrechts halten – es sei denn, Nacherben verzichten notariell auf ihr Nacherbenanwartschaftsrecht zugunsten des Vorerben. Genau diesen Umstand musste das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) bewerten, weil sich eine Nacherbin in ihren Rechten verletzt sah.
Die Klägerin, Tochter der Vorerbin und des im Jahr 1974 bereits verstorbenen Erblassers, forderte vom Beklagten die Rückzahlung eines Schenkungsbetrags. Die Eltern hatten sich per Erbvertrag als Vorerben eingesetzt, die Töchter wurden als Nacherben berufen. In einem notariellen Vertrag von 2005 verzichteten die Töchter auf das Nacherbenanwartschaftsrecht zugunsten der als Vorerbin berufenen Mutter. Diese schenkte dem Beklagten im Jahr 2012 einen Geldbetrag in Höhe von 300.000 EUR. Eine der Töchter war der Ansicht, diese Schenkung beeinträchtige ihre Rechte als Miterbin. Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung, doch dieser legte hiergegen erfolgreich Berufung ein.
Grundsätzlich sollen Nacherben gegen Verfügungen des Vorerben über einen Erbschaftsgegenstand, die unentgeltlich erfolgen, geschützt werden. Das OLG schloss sich aber der Ansicht des Beschenkten an, dass die Töchter durch die notarielle Urkunde aus dem Jahr 2005 ihre Rechte – die sogenannten Nacherbenanwartschaften – auf die Vorerbin übertragen hatten. Da der Ersatznacherbenfall nicht eingetreten war, konnte die Vorerbin auch frei über das Vermögen verfügen – einschließlich der Schenkung an den Beklagten. Darüber hinaus sei die Schenkung auch nicht als Missbrauch des Vermögens der Vorerbin anzusehen.
Hinweis: Wird – anders als bei einer angeordneten Vor- und Nacherbschaft – ein Vertragserbe durch Schenkungen des Erblassers bewusst beeinträchtigt, kann der Vertragserbe nach dem Tod des Erblassers von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen.
Quelle: OLG Nürnberg, Urt. v. 01.09.2023 – 1 U 676/22
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(aus: Ausgabe 01/2024)