Streiten sich Eltern so sehr, dass die Beziehung „hochkonflikthaft“ genannt wird, wissen Gerichte oft keinen besseren Rat zum Schutz der Kinder, als den Kontaktabbruch zum Umgangselternteil zu akzeptieren. So war es im Fall des Oberlandesgerichts Köln (OLG). Hier waren die beiden Söhne vom Haushalt der Mutter in den des Vaters gewechselt und verweigerten nun den Kontakt zur Mutter.
Seit der Trennung 2021 hatte es bereits neun Gerichtsverfahren zwischen den Eltern gegeben – mit einer Reihe an Vorwürfen. Die Folgen: Das Jugendamt hatte eine Familienhilfe eingesetzt, ein Umgangspfleger sollte für reibungslose Kontakte sorgen, ein familienpsychologisches Gutachten wurde eingeholt. Der Vater verweigerte die Zusammenarbeit mit der Gutachterin und der Verfahrensbeiständin und schirmte die Kinder von diesen ab. Die Gutachterin musste daher nach Aktenlage bewerten, dass sich die Kinder in einem massiven Loyalitätskonflikt befänden. Auch wenn das Verhalten des Vaters, die Mutter absolut auszugrenzen, langfristig ihre Entwicklung gefährden könne, könnten erzwungene Umgangskontakte dieses Entwicklungsrisiko nicht mindern. Kontakte zur Mutter könnten also derzeit nicht stattfinden. Der Aufgabenkreis „Umgang“ könne daher auf einen Ergänzungspfleger übertragen werden, der im Kontakt mit den Kindern den Zeitpunkt für eine Anbahnung ermitteln könne.
Das Amtsgericht entzog dem Vater daraufhin das Sorgerecht für den Aufgabenkreis „Umgang“ und setzte das Jugendamt hierfür als Umgangspfleger ein. Sein Verhalten – nämlich die fehlende Kooperation mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten – begründe eine Kindeswohlgefährdung, da somit eine weitere Aufklärung in der Sache verhindert werde und Umgänge der Kinder mit der Kindesmutter nicht stattfinden könnten.
Das OLG gab dem Vater das Sorgerecht zurück. Es war davon überzeugt, dass die Jungen die Kontaktverweigerung selbst als einzige Lösungsmöglichkeit sehen, um zur Ruhe zur kommen. Alles spreche dafür, dass sie in ihrem Loyalitätskonflikt befürchten würden, dass ihre Bewältigungsstrategien zusammenbrechen, wenn sie sich der Auseinandersetzung mit der Beziehung zu beiden Eltern stellen müssen. Der von den beiden Jungen geäußerte Wille sei stabil und beruhe auf ihren inneren Bindungen. Deshalb komme es nicht darauf an, ob dieser Wille auch durch das Verhalten des bindungsintoleranten Kindesvaters zustande gekommen ist. Zudem sei der Entzug des Sorgerechts kein geeignetes Mittel, die Meinung der Kinder zu verändern.
Hinweis: Der geäußerte Wille von Kindern wird auch dann beachtet, wenn er ursprünglich durch Manipulation entstanden ist, inzwischen aber vom Kind als eigener Wille empfunden wird. Schwierig ist die Beurteilung, ob die Kinder aus Angst vor Liebesentzug oder Sanktionen etwas anderes sagen, als sie sich eigentlich wünschen.
Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 16.05.2024 – 14 UF 22/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2024)