Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nach Wertung des Gesetzes nichtig. Dies kann auch im Fall eines notariell beurkundeten Testaments der Fall sein, wie das Oberlandesgericht Celle (OLG) in einer kürzlich ergangenen Entscheidung festgestellt hat.
Die 92 Jahre alte Erblasserin war schwer erkrankt und alleinstehend, als die einzige Tochter, die sich um die Erblasserin gekümmert hatte, im September 2022 verstarb. Die Erblasserin selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus, auf dessen Anregung hin eine Betreuung für die Erblasserin eingerichtet wurde. Bereits zwei Wochen nach der Einrichtung der Betreuung beauftragte die Betreuerin einen Notar mit der Beurkundung eines notariellen Testaments, in dem sie von der Erblasserin zur alleinigen Erbin eingesetzt wurde. In dem Testament hieß es, die Erbeinsetzung der Betreuerin folge aus Dankbarkeit für die Pflege. Wenige Tage nach Verlassen des Krankenhauses – die Betreuerin hatte die Erblasserin kurzzeitig bei sich zu Hause aufgenommen – verstarb die alte Dame. Das Nachlassgericht verweigerte die Erteilung eines Erbscheins mit der Begründung, das Testament sei sittenwidrig.
Dieser Einschätzung schloss sich auch das OLG an. Die Umstände, unter denen es zu der Errichtung des Testaments gekommen war, führten nach Einschätzung des Gerichts zur Sittenwidrigkeit. Das OLG nahm hierbei an, dass die Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf die alte, kranke und alleinstehende Erblasserin dazu benutzt hat, gezielt auf diese leicht beeinflussbare Person einzuwirken, um sie dazu zu bewegen, eine derartige Verfügung zu treffen.
Hinweis: Das OLG hat in dem Erbscheinsverfahren letztinstanzlich entschieden. In einem solchen Fall bleibt der Antragstellerin noch der Weg offen, eine sogenannte Erbenfeststellungsklage zu erheben.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 11.01.2024 – 6 W 175/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)