Seit dem Pfandbonurteil 2008 und dessen Folgen sollten sich alle Arbeitnehmer der Gefahr bewusst sein, dass selbst als Bagatelldelikte empfundene Straftaten im Betrieb schnell den Arbeitsplatz kosten können. Der Angestellte, der sich hier vor dem Landesarbeitsgericht Köln (LAG) gegen seine Kündigung zur Wehr setzte, hatte Glück. Doch auch, wenn die Urteilsbegründung nachvollziehbar und durchaus befriedigend sein mag – man sollte sich nicht darauf verlassen, dass andere Gerichte in ähnlichen Fallgestaltungen die gleiche Perspektive einnehmen.
Ein über zehn Jahre beschäftigter Produktionsleiter hatte den Abtransport von drei Holzpaletten veranlasst, um diese später auf dem Sportplatz eines örtlichen Fußballvereins für das dort stattfindende Osterfeuer als Brennholz zu verwenden. Zuvor waren alle Beschäftigten vom Arbeitgeber darüber informiert worden, dass das Lager ausgemistet werde. Allerdings sollten ausschließlich Plastikboxen und Kisten frei weggegeben werden. Der Produktionsleiter wurde im Rahmen eines Personalgesprächs zum Vorwurf des Diebstahls angehört. Er äußerte darin, dass es sich bei den drei Paletten um wertlosen Schrott gehandelt habe, der zum Verbrennen bestimmt gewesen sei. Daraufhin wurde der Betriebsrat zu einer fristlosen Kündigung angehört. Dieser widersprach der Kündigung. Es sei im Betrieb bisher üblich gewesen, dass Einwegpaletten und beschädigte Paletten als Brennholz mit nach Hause genommen werden durften. Dennoch wurde das Arbeitsverhältnis fristlos (und hilfsweise fristgerecht) gekündigt, wogegen der Produktionsleiter eine Kündigungsschutzklage einlegte.
Das LAG hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Als Erstes hielt es die außerordentliche Kündigung schlichtweg für unverhältnismäßig. Der Pflichtverletzung des Produktionsleiters hätte mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Eine Abmahnung war auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Schwere des Vorwurfs entbehrlich – der Wert der Paletten war dafür einfach zu gering, bei der Tat zeigte sich zu wenig kriminelle Energie, die Tatbegehung war nicht heimlich genug und das Gesamtbild der Tat zu banal, nämlich das Verbrennen von Verpackung beim Osterfeuer. Eine einschlägige Abmahnung lag hier ebenso wenig vor.
Die außerordentliche Kündigung erwies sich also als unverhältnismäßig. Aber auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden. Die Verhältnismäßigkeit ist nämlich auch vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zu prüfen. Und mit dieser Überprüfung geht die Frage einher, ob nicht auch weniger einschneidende Tatsachen geeignet sind, die eingetretene Störung des Vertrauensverhältnisses zu überwinden. Es verhält sich bei der ordentlichen Kündigung also so wie bei der fristlosen Kündigung: Vor Ausspruch einer Beendigungserklärung ist als milderes Mittel eine Abmahnung auszusprechen.
Hinweis: Der Arbeitnehmer des Falls hat Glück gehabt. Arbeitnehmer sollten im Umgang mit dem Eigentum des Arbeitgebers dennoch stets vorsichtig sein. Schneller als gedacht steht hier oftmals eine Kündigung im Raum.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 06.07.2023 – 6 Sa 94/23
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(aus: Ausgabe 12/2023)