Die Wiedereingliederung nach einer langen Krankheitsphase kann ein Arbeitgeber grundsätzlich ablehnen. Doch bei schwerbehinderten Menschen könnte ab jetzt etwas anderes gelten. Das Arbeitsgericht Aachen (ArbG) hat mit seinem folgenden Beschluss schwerbehinderten Arbeitnehmern neue Wege eröffnet, ihr Beschäftigungsinteresse durchzusetzen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich diese Auffassung durchsetzen wird.
Ein Arbeitnehmer erkrankte an einem Hirntumor, konnte jedoch erfolgreich therapiert werden. Nun allerdings hatte er einen Grad der Behinderung von 90. Am Ende der Krankheitsphase schlug die Hausärztin schließlich eine stufenweise Wiedereingliederung vor und erstellte einen ersten Wiedereingliederungsplan. Der Arbeitnehmer beantragte daraufhin die Zustimmung zur Durchführung dieser Maßnahme bei seinem Arbeitgeber – doch dieser lehnte ab. Die Hausärztin erstellte daraufhin einen neuen Wiedereingliederungsplan. Nun verlangte der Arbeitnehmer im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, die stufenweise Wiedereingliederung durchzuführen. Er habe ein überragendes Interesse daran, die Wiedereingliederung in das Berufsleben und die Rückkehr an seinen Arbeitsplatz möglichst zeitnah im Anschluss an seinen Therapieabschluss zu beginnen. Der Arbeitgeber meinte hingegen, es gäbe keine sinnvollen Aufgaben, die der Arbeitnehmer mit einer täglichen Beschäftigungsdauer von zwei oder vier Stunden erledigen könne. Die geschuldete Tätigkeit ließe sich nicht ohne Fahrten mit dem Auto umsetzen. Doch damit kam der Arbeitnehmer nicht durch.
Laut ArbG hatte der Arbeitnehmer durchaus einen Anspruch auf eine stufenweise Wiedereingliederung. Diesen Anspruch auf Beschäftigung – entsprechend den Angaben im ärztlichen Wiedereingliederungsplan (§ 164 Abs. 4 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)) – kann die schwerbehinderte oder gleichgestellte behinderte Person auch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens verfolgen. Die hierfür notwendige Eilbedürftigkeit folgt aus dem Beschäftigungsinteresse der schwerbehinderten Person, das aufgrund ihres Anspruchs auf Teilhabe am Erwerbsleben aus § 164 Abs. 4 SGB IX grundsätzlich überwiegt.
Hinweis: Es bleibt abzuwarten, ob sich die Meinung der Richter durchsetzt. Vieles spricht jedoch dafür, dass dieses Urteil auch von höheren Instanzen abgesegnet werden könnte.
Quelle: ArbG Aachen, Beschl. v. 12.03.2024 – 2 Ga 6/24
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(aus: Ausgabe 06/2024)