Wird eine Erbschaft unter falscher Annahme über die Werthaltigkeit angenommen, kann dies in Ausnahmefällen zu einer Anfechtung der Erbschaftsannahme führen. Im Fall des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) spielten sogar gleich zwei Insolvenzverfahren eine entscheidende Rolle.
Noch zu Lebzeiten führte die Erblasserin einen Rechtsstreit gegen ein Universitätsklinikum aufgrund eines vermeintlichen ärztlichen Behandlungsfehlers. Über das Vermögen der Erblasserin wurde im Jahr 2015 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Dann verstarb die Erblasserin im Jahr 2018 und hinterließ einen Sohn als alleinigen gesetzlichen Erben. Das Insolvenzverfahren wurde als Nachlassinsolvenzverfahren fortgeführt. Nach dem Tod der Mutter beantragte der Sohn, über dessen eigenes Vermögen inzwischen auch ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war, als Alleinerbe die Erteilung eines Erbscheins – in der Annahme, dass der Nachlass überschuldet sei.
Bezüglich des medizinrechtlichen Haftungsfalls wurde nach dem Tod der Frau jedoch ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen, mit dem sich das Universitätsklinikum zur Schadensersatzzahlung von 1,5 Mio. EUR verpflichtete. Während der erbende Sohn bei der Vermögensaufstellung des Insolvenzverwalters bei Annahme der Erbschaft also noch davon ausging, dass die Verbindlichkeiten der Mutter in etwa 2 Mio. EUR betrugen, stellte sich im Laufe des Insolvenzverfahrens nun heraus, dass diese nur noch rund 1 Mio. EUR betrugen. Nachdem der Erbe Kenntnis hiervon erhalten hat, erklärte er die Anfechtung der Annahme der Erbschaft. Hätte er gewusst, dass der Nachlass werthaltig war, hätte er die Erbschaft ausgeschlagen. Warum das? Ganz einfach: Somit wäre seinen eigenen Kindern ein positives Vermögen zugutegekommen.
Diese Argumentation ließ im Ergebnis auch das OLG gelten. Der Bestand der im Insolvenzverfahren eines Erblassers angemeldeten Forderungen stellt eine Eigenschaft des Nachlasses dar. Erfolgt die Annahme der Erbschaft in der falschen Vorstellung, der Nachlass sei überschuldet, könne dies eine Anfechtung wegen eines Irrtums rechtfertigen. Auch für den Erben gelte, dass im Wesentlichen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich ist. Es sei nicht anzunehmen, dass der Schuldner im Fall der Werthaltigkeit eines Nachlasses in erster Linie anstrebt, seine eigenen Verbindlichkeiten zu bedienen.
Hinweis: Stellen Erben nach der Annahme einer Erbschaft fest, dass ein Nachlass überschuldet ist, besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Einleitung einer Nachlassinsolvenz zu stellen. Wird das Verfahren eröffnet, verlieren die Erben aber den Zugriff auf den Nachlass.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.08.2023 – 14 W 144/21
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(aus: Ausgabe 10/2023)