Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gibt unter anderem vor, wann eine Videoüberwachung von wem wie abzulaufen hat, und vor allem, wie lange erhobene Daten gespeichert und entsprechend verwertet werden dürfen. Dass aber auch eine Videoüberwachung, die gegen datenschutzrechtliche Grundsätze verstößt, zu einer Kündigung führen kann, zeigt dieser Fall, der bis vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) ging.
Ein Arbeitnehmer war in einer Gießerei beschäftigt, in der es eine Videoüberwachung gab, auf die auch durch entsprechende Schilder hingewiesen wurde. Der Arbeitnehmer betrat an einem Tag das Betriebsgelände – offensichtlich in der Absicht, diesen Tag bezahlt zu bekommen. Auf einen anonymen Hinweis zu angeblich regelmäßigem Arbeitszeitbetrug hin sah sich der Arbeitgeber die Aufzeichnungen an und musste feststellen, dass der Arbeitnehmer noch vor Schichtbeginn das Werksgelände wieder verlassen hatte. Das hielt er für einen Arbeitszeitbetrug und kündigte dem Mann. Der Arbeitnehmer legte dagegen eine Kündigungsschutzklage ein und meinte, dass er an dem Tag gearbeitet habe. Zudem unterlägen die Videos aus der Videoüberwachung einem Beweisverwertungsverbot und könnten in einem Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigt werden.
Damit bekam der Gekündigte in den Vorinstanzen noch Recht. Vor dem BAG war damit aber Schluss. In einem Kündigungsschutzprozess bestehe grundsätzlich kein Verwertungsverbot für solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Dies gelte auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben der DSGVO stehe. Das BAG verwies die Angelegenheit daher an die Vorinstanz – das zuständige Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) – zurück.
Hinweis: Nach Auffassung des vorinstanzlichen LAG hatte es den Grundsätzen der Datenminimierung und Speicherbegrenzung nach Art. 5 DSGVO eklatant widersprochen, dass die herangezogenen Videoaufzeichnungen zum Zeitpunkt der Auswertung teilweise bereits ein Jahr lang zurückgelegen hätten. Laut Mitteilung des BAG sei es aber möglich, dass datenschutzrechtliche Abweichungen gegen Löschpflichten bei einer offenen Videoüberwachung und bei einem vorsätzlich vertragswidrigen Verhalten nicht zugunsten eines Verwertungsverbots entscheiden.
Quelle: BAG, Urt. v. 29.06.2023 – 2 AZR 296/22
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 09/2023)