Testierunfähig ist derjenige, der aufgrund einer krankhaften Störung der Geistesfähigkeit oder durch Bewusstseinsstörungen nicht fähig ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen. Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) musste sich im Folgenden mit der Frage beschäftigen, ob der Alkoholismus des Erblassers als solcher bereits eine Testierunfähigkeit nach sich gezogen hatte.
Der im März 2020 verstorbene Erblasser war Alkoholiker (täglicher Alkoholkonsum zwischen zehn und zwölf Flaschen Bier) und errichtete im März 2020 ein handschriftliches Testament, in dem er seine Ziehtochter zur Alleinerbin einsetzte. Gegen den von der Alleinerbin beantragten Erbschein wendete sich die Schwester des Erblassers mit Begründung, der Erblasser sei bei Errichtung seines Testaments aufgrund seiner Alkoholerkrankung nicht testierfähig gewesen. Das erstinstanzliche Gericht hat Beweis durch Einholung eines fachpsychiatrischen Sachverständigengutachtens erhoben und kam in der Folge zu der Ansicht, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers bestanden haben. Die Ermittlungen hierzu wurden daher beendet, da kein die Entscheidung beeinflussendes anderes Ergebnis mehr erwartet werden könne.
Dieser Einschätzung schloss sich im Ergebnis auch das OLG im Rahmen der Beschwerde an. Hierbei stellte es klar, dass Alkoholismus allein keine Testierunfähigkeit begründet. Eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit liege nur dann vor, wenn die Sucht als solche Symptom einer schon vorhandenen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche ist oder der durch die Sucht verursachte Abbau der Persönlichkeit den Wert einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche (einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit) erreicht habe. Auch wenn der Erblasser zu Lebzeiten täglich zehn bis zwölf Flaschen Bier konsumiert habe, lasse sich hieraus nicht schlussfolgern, dass er zum Zeitpunkt der Abfassung des Testaments testierunfähig gewesen sei. Das Schriftbild des Testaments lasse beispielsweise keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Erblasser in irgendeiner Form beeinträchtigt war. Auch die beim Erblasser diagnostizierte manisch-depressive Erkrankung führte nicht per se zu einer anderen Einschätzung.
Hinweis: Bereits seit Jahrzehnten ist rechtlich anerkannt, dass Depressionen abhängig von Dauer, Intensität und Periode pathologisch sein können und zumindest zeitweise zu einer Testierunfähigkeit führen. Es bedarf hierzu aber stets konkreter Feststellungen durch das Gericht.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 21.03.2024 – 3 W 28/24
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(aus: Ausgabe 06/2024)