Wieder einmal wurde ein Arbeitsverhältnis aufgrund einer sexuellen Belästigung beendet, die das Arbeitsgericht Berlin (ArbG) in erster Instanz für glaubwürdig erachtete. Und eine solche schwerwiegende Pflichtverletzung kann nicht nur strafrechtlich relevant sein – sie erspart dem Arbeitgeber auch, im Vorfeld eine Abmahnung zu erteilen.
Eine Arbeitnehmerin hatte über Rückenschmerzen geklagt. Mit ihrer Einwilligung berührte ein Kollege, der hinter der Arbeitnehmerin saß, zunächst ihren Rücken, der nach Hochschieben ihrer Oberbekleidung und Öffnen des BH unbekleidet war, um diesen abzutasten. Dann aber soll der Arbeitnehmer ohne Einverständnis der betroffenen Kollegin seine Hände unter deren BH geschoben und auf ihre unbekleideten Brüste gelegt haben. Daraufhin erhielt er eine fristlose Kündigung, gegen die der Arbeitnehmer klagte.
Tatsächlich hat er seine Klage in der ersten Instanz verloren. Denn nach einer persönlichen Anhörung des Arbeitnehmers und der Vernehmung der betroffenen Kollegin als Zeugin bewertete das ArbG die Angabe des Arbeitnehmers für eine Schutzbehauptung, es habe sich um ein unbeabsichtigtes seitliches Streifen der Brüste bei dem Versuch gehandelt, den BH wieder zu schließen. Die Schilderung der Kollegin hielt das Gericht hingegen für durchaus glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, die Kollegin wolle den Kläger zu Unrecht einer sexuellen Belästigung bezichtigen, waren zudem nicht zu erkennen. Auch eine Abmahnung war wegen der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich. Dabei half dem Arbeitnehmer auch seine 19-jährige Unternehmenszugehörigkeit nichts.
Hinweis: Gegen das Urteil ist noch eine Berufung möglich. Es ist schwer abzuschätzen, wie das Landesarbeitsgericht entscheiden wird. Letztendlich steht Aussage gegen Aussage. Aber wir sind hier nicht im Strafrecht. Es geht um eine Klage gegen eine Kündigung. Der Arbeitgeber hat eine Zeugin für das Fehlverhalten, nämlich die belästigte Frau.
Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 06.09.2023 – 22 Ca 1097/23
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(aus: Ausgabe 11/2023)