Unangeschnallt = Mitschuld? Verursachungs- und Verschuldensbeitrag tritt bei schwerwiegendem Verstoß gegen StVO zurück

Artikel vom 02.12.2024

Auch wenn immer wieder mal gegen die geltende Gurtpflicht verstoßen wird, ist sich der überwiegende Teil der Verkehrsteilnehmer über deren Sinn und Zweck einig. Wenn es dennoch zu einem Unfall mit Personenschäden kommt, muss eine unangeschnallte Person stets damit rechnen, für erlittene Schäden mit zur Verantwortung gezogen zu werden. Im Fall des Oberlandesgerichts Köln (OLG) war das anders – denn hier war klar, wem die überwiegende Hauptschuld anzulasten war.

Auch wenn immer wieder mal gegen die geltende Gurtpflicht verstoßen wird, ist sich der überwiegende Teil der Verkehrsteilnehmer über deren Sinn und Zweck einig. Wenn es dennoch zu einem Unfall mit Personenschäden kommt, muss eine unangeschnallte Person stets damit rechnen, für erlittene Schäden mit zur Verantwortung gezogen zu werden. Im Fall des Oberlandesgerichts Köln (OLG) war das anders – denn hier war klar, wem die überwiegende Hauptschuld anzulasten war.

Ein betrunkener Autofahrer verursachte einen schweren Verkehrsunfall, als er mit Tempo 155 km/h (erlaubt waren 70 km/h) über eine Landstraße raste, auf die Gegenfahrbahn geriet und dort mit einem entgegenkommenden Auto zusammenstieß. Darin wurde die Beifahrerin an der Wirbelsäule schwer verletzt, da hinter ihr eine unangeschnallte Frau saß. Der verursachende Autofahrer selbst überlebte den Unfall hingegen nicht, seine Haftpflichtversicherung zahlte rund 380.000 EUR Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Versicherung versuchte dann aber, Geld zurückzubekommen, und verklagte die Frau auf dem Rücksitz auf Zahlung von rund 270.000 EUR, weil diese gegen die Gurtpflicht verstoßen habe und beim Unfall nach vorne gegen den Sitz der Beifahrerin geschleudert worden ist, wobei ihre Knie dabei die schweren Verletzungen der Vorderfrau (mit-)verursacht hätten. Nachdem die Klage in der ersten Instanz keinen Erfolg hatte, ging die Versicherung in Berufung.

Das OLG wies die Klage ebenfalls ab. Die Gurtpflicht schütze zwar nicht nur den Anschnallpflichtigen selbst, sondern soll zudem auch andere Fahrzeuginsassen vor Verletzungen durch nicht angeschnallte Mitfahrende bewahren. Wer sich nicht anschnalle, könne daher auch für die Verletzung anderer Fahrzeuginsassen haftbar gemacht werden. Die Frau auf dem Rücksitz müsse hier aber dennoch nicht (mit-)haften. Denn das Verhalten des fahruntüchtigen Fahrers sei maßgeblich für den Unfall und damit auch für den dadurch entstandenen Schaden gewesen. Das Gericht führte aus, dass vor dem Hintergrund seines „strafwürdigen, grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhaltens“ eine mögliche Mithaftung der nicht angeschnallten Frau vollständig zurücktrete. Das OLG ließ offen, ob diese tatsächlich die schweren Verletzungen der Beifahrerin verursacht hatte.

Hinweis: Der Senat stellte zutreffend fest, dass die nicht angeschnallte Mitfahrerin grundsätzlich neben dem betrunkenen Autofahrer haftet. Ein Ausgleichsanspruch – also eine Haftung der nicht angeschnallten Mitfahrerin – scheitert aber daran, dass im Rahmen der Haftungsverteilung der Verursachungs- und Verschuldensbeitrag der nicht angeschnallten Mitfahrerin vollständig hinter denjenigen des betrunkenen Autofahrers zurücktritt, der in schwerwiegender Weise gegen die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) (alkoholisiert/überhöhte Geschwindigkeit) verstoßen hatte.

Quelle. OLG Köln, Urt. v. 27.08.2024 – 3 U 81/23

zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

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