Manchmal kommt eins aufs andere: Erst bekommt man seinen begehrten Urlaub nicht, und dann wird man auch noch genau in dieser Zeit krank! Glauben Sie nicht? Der Arbeitgeber in diesem Fall auch nicht, weshalb er die Lohnfortzahlung verweigerte. Das Arbeitsgericht Berlin (ArbG) griff bei aller Ungläubigkeit zur Tat und befragte die behandelnde Ärztin als Zeugin, ob es sich nicht vielleicht um ein Gefälligkeitsattest handelte.
Es ging um eine seit dem Jahr 2021 beschäftigte Hauswirtschafts- und Reinigungskraft. Diese hatte das Arbeitsverhältnis am 12.05.2023 zum 15.06.2023 gekündigt. Gleichzeitig bat sie den Arbeitgeber darum, ihr zum Ende des Arbeitsverhältnisses Urlaub zu gewähren, da sie ihre Familie besuchen wolle. Dies lehnte der Arbeitgeber unter Hinweis auf entgegenstehende betriebliche Gründe ab. Noch am selben Tag teilte die Arbeitnehmerin dann telefonisch mit, dass sie erkrankt sei, und legte in der Folge eine unterzeichnete ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 22.05. bis 15.06.2023 vor. Der Arbeitgeber zweifelte die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der zeitlichen Nähe von Kündigung und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und dem zuvor bekundeten Urlaubswunsch natürlich an und zahlte kein Geld. Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin.
Das ArbG verpflichtete den Arbeitgeber dennoch zur Entgeltfortzahlung. Es lagen durchaus Umstände vor, die Zweifel an einer Erkrankung der Arbeitnehmerin haben wecken können. Daher reichte es auch dem Gericht nicht aus, dass die Arbeitnehmerin ärztliche Bescheinigungen vorgelegt hatte. Als jedoch die Ärztin als Zeugin vernommen wurde, bestätigte diese, dass sehr wohl eine ärztliche Untersuchung von sogar rund 15 bis 20 Minuten durchgeführt worden sei, bei der eine Erschöpfungsdepression diagnostiziert wurde, womit folglich eben kein sogenanntes Gefälligkeitsattest vorgelegen habe. Die Arbeitnehmerin sei infolge von Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert gewesen, ohne dass sie ein Verschulden getroffen hätte.
Hinweis: Gelingt es also einem Arbeitgeber im Prozess um Leistungen aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz, den Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeit zu erschüttern, kann die Vernehmung des behandelnden Arztes als sachverständiger Zeuge erfolgen.
Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 19.03.2024 – 22 Ca 8667/23
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(aus: Ausgabe 02/2025)