Des Öfteren ist es Gerichten „vergönnt“, mit mehr oder weniger unterhaltsamen Darstellungen zum Geschehen vom Gegenteil behaupteter Vorwürfe überzeugt werden zu wollen. Doch wie im Folgenden vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main (AG) kommen in derlei Fällen entsprechende Fachleute hinzu, die anhand wissenschaftlicher Fakten unglaublich klingende Erklärungen auch tatsächlich als solche entkräften.
Ein Autofahrer wurde bei einem Rotlichtverstoß von einer Polizeistreife beobachtet, die ihn daraufhin anhielt. Bei der darauffolgenden Kontrolle fiel ihnen Alkoholgeruch bei dem Mann auf, so dass ein Alkoholtest angeordnet wurde. Dieser endete mit einem Wert von 1,32 ‰. Gegen den Fahrer wurde daher ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt eingeleitet. Der Mann setzte sich mit einer durchaus interessanten Erklärung zur Wehr. Ihm sei nach einem Saunabesuch vor Unterzuckerung erst unwohl geworden, dann sei er im Auto eingeschlafen. Da traf es sich gut, dass ein aus Belgien stammendes Pärchen das bemerkte, an seine Autoscheibe klopfte und ihm wegen der geschilderten Unterzuckerung einen Beutel mit angeblich neun Pralinen reichte, die etwas kleiner als Tischtennisbälle gewesen seien. Dankbar leerte er den ganzen Beutel, und obwohl seine Kehle beim Verzehr leicht brannte, dachte er bei der flüssigen Füllung der Pralinenbällchen nicht an Alkohol. Im Nachhinein tippte er auf tendenziell geschmacksneutralen Wodka, Rum hätte er wohl bemerkt. Es ging ihm nach dem Verzehr jedenfalls noch schlechter, dennoch fuhr er los – und just vor dem Toilettenhalt bei einer Fastfoodfiliale kam es zum Zusammentreffen mit der Polizei. Auch wenn er seine Geschichte im gesamten Verlauf bis vor Gericht immer wieder änderte – er habe ehrlich nicht gewusst, so viel Alkohol im Blut gehabt zu haben.
Das AG hielt seine Schilderung, eine große Anzahl von Schnapspralinen verzehrt zu haben, ohne den Alkohol zu bemerken, schlichtweg für nicht glaubwürdig. Denn den Ausführungen des Mannes standen knallharte Fakten entgegen: Nach gutachterlicher Berechnung hätte er für den gemessenen Promillewert satte 132 Mon-Cherie-Pralinen innerhalb einer Viertelstunde verzehren müssen, um dem Konsum von 0,2 bis 0,3 Litern harten Alkohols zu entsprechen. Auch sprachen Bestandsstoffe aus einer Begleitstoffanalyse gegen den behaupteten Wodka und eher für Likör. Insofern sei es aus Sicht des Gerichts „absolut fernliegend“, dass der Mann den behaupteten Pralinenkonsum als harmlosen Snack missverstanden haben kann. Das AG wertete seine Aussage daher als eine unglaubwürdige Schutzbehauptung und verurteilte ihn schließlich wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt zu einer Geldstrafe und zum Entzug der Fahrerlaubnis für insgesamt 18 Monate.
Hinweis: Was das Gutachten noch ad absurdum führte: Gemäß seinen Schilderungen hätte der Angeklagte Ende Januar ab 22 Uhr für knapp vier Stunden in einem unbeheizten Fahrzeug geschlafen, ohne durch die Kälte aufzuwachen. Zudem müsste er nach behaupteter zehnjähriger Alkoholabstinenz innerhalb von nur rund 15 Minuten 272 ml 40%igen Alkohols zu sich genommen haben, ohne innerhalb der darauffolgenden 75 bis 90 Minuten bei der Polizei Gangunsicherheiten oder sprachliche Auffälligkeiten zu zeigen.
Quelle: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.08.2024 – 907 Cs 515 Js 19563/24
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(aus: Ausgabe 02/2025)