2014 wurde die sogenannte Mütterrente I und 2019 die Mütterrente II eingeführt, mit der Frauen aus Kindererziehungszeiten eigene Rentenpunkte erwerben: 1,0 Entgeltpunkte plus 0,5 je Kind in der gesetzlichen Rentenversicherung. Wie sich diese Rentenpunkte nachträglich auf einen bereits berechneten Versorgungsausgleich auswirken, war Kern des Falls, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.
Für einen Mann, der 1998 geschieden worden war und beim Versorgungsausgleich Rentenpunkte an die Geschiedene abgegeben hatte, stellte sich nun die Frage, ob der damalige Ausgleich retrospektiv gerecht war. Denn das gemeinsame Kind war während der Ehe geboren worden, und die diesbezüglichen Rentenpunkte waren ja erst durch das neue Gesetz nach der Scheidung gutgeschrieben worden. Dem Mann, der inzwischen in Rente gegangen war, fehlten nun Anteile im Wert von damaligen 311 DM monatlich. Bei der früheren Ehefrau kam davon nichts mehr an, denn diese war inzwischen verstorben. Die „Mütterrente“ sollte nun aber der Grund für eine sogenannte Totalrevision des Versorgungsausgleichs sein – der Mann wollte alles nochmal neu ausgerechnet haben. Das ist grundsätzlich denkbar, wenn sich die Entscheidung zum Versorgungsausgleich wegen späterer tatsächlicher oder rechtlicher Änderungen als unrichtig herausstellt.
Der BGH orientierte sich an den sogenannten Wesentlichkeitsgrenzen: mindestens 5 % des bisherigen Ausgleichswerts (relativer Betrag) und 1 % der maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße (absolute Bagatellgrenze). Diese Wesentlichkeitsgrenze der Änderung war hier überschritten, denn der Wertunterschied wegen der Mütterrente belief sich bei der Frau auf monatlich 74 DM – das waren fast 50 %. Im Ergebnis wurde der damalige Versorgungsausgleich neu berechnet – und weil die Frau inzwischen verstorben war, bekam der Mann seine Rente im Wert von monatlich 311 DM zurück.
Hinweis: Die Mütterrente wirkt sich erheblich aus, wenn die Mutter in den ersten 30 Lebensmonaten des Kindes keine versicherungspflichtigen Einkünfte hatte. Für solche Altfälle lohnt sich die Überlegung, ob man den Versorgungsausgleich deshalb neu berechnen oder rückgängig machen kann. Dabei darf der Rechtsbeistand nicht zaudern, denn die Neuberechnung wirkt sich erst ab Antragstellung bei Gericht aus, nicht rückwirkend.
Quelle: BGH, Beschl. v. 23.08.2023 – XII ZB 202/22
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(aus: Ausgabe 12/2023)