Wer für seinen geistigen Ausfall bei Krankheit oder im Alter vorsorgen will, bevorzugt in einer Vorsorgevollmacht oft lieber Familienangehörige, als sein Schicksal in die Hände eines fremden Betreuers zu legen. Dass diese durchaus nachvollziehbare Entscheidung aber keine Garantie dafür gibt, dass alles reibungsfrei abläuft, beweist auch der folgende Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.
Hier waren Tochter und Enkel zur Betreuung bevollmächtigt. Zwischen den beiden kam es aber zu einem Zerwürfnis und zu Uneinigkeit, wo die Mutter bzw. die Oma gepflegt werden sollte. Und so blockierten sich die beiden gegenseitig. Da der Pflegedienst zudem gegen den Enkel Strafanzeige erstattet hatte – worüber noch nicht entschieden war -, bestellte das Betreuungsgericht eine Berufsbetreuerin. Das zuständige Landgericht bestätigte diesen Schritt, der BGH hob ihn wieder auf.
Es komme laut BGH nämlich nicht darauf an, ob die Berufsbetreuerin objektiv besser geeignet wäre. Die grundsätzliche Entscheidung der Betroffenen gegen die Fremdbetreuung und für die Familienvollmacht sei zu respektieren. Ferner müssen „mildere Mittel“ geprüft werden, bevor eine Vorsorgevollmacht entzogen wird. Der entsprechende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert zunächst den Versuch, mittels eines zu bestellenden Kontrollbetreuers auf die Bevollmächtigten positiv einzuwirken. Ein solcher Kontrollbetreuer kann Auskünfte verlangen und Weisungen erteilen. Außerdem kann das Betreuungsgericht gemäß § 1820 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch auch unmittelbar zwischen zwei gleichrangig Bevollmächtigten regeln, wer in einer konkreten Frage allein entscheiden darf.
Hinweis: Der BGH nutzte die Entscheidung, um erneut zu bekräftigen, dass das Betreuungsgericht ohne persönlichen Kontakt zum Betroffenen nichts entscheiden darf, auch wenn der Begriff „Anhörung“ unpassend sei, wenn sich der Betroffene nicht mehr äußern könne.
Quelle: BGH, Beschl. v. 29.03.2023 – XII ZB 515/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 08/2023)