Wartepflicht des Linksabbiegers: Gebotene Vorsicht bei drohender Überschneidung zweier Fahrwege im Einmündungsbereich

Artikel vom 05.09.2024

Beim Verkehrsrechtsfall, den das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) bewerten musste, handelte es sich um einen Klassiker – den Abbiegeunfall. Weil sich der Halter eines Fahrzeugs, dessen Fahrerin nach links abbiegen wollte, mit der hälftigen Haftungsverteilung nicht abfinden wollte, kam das Urteil des Landgerichts (LG) folglich auf den Prüfstand.

Beim Verkehrsrechtsfall, den das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) bewerten musste, handelte es sich um einen Klassiker – den Abbiegeunfall. Weil sich der Halter eines Fahrzeugs, dessen Fahrerin nach links abbiegen wollte, mit der hälftigen Haftungsverteilung nicht abfinden wollte, kam das Urteil des Landgerichts (LG) folglich auf den Prüfstand.

Zwischen einem Pkw, dessen Fahrerin nach links abbog, und einem aus der Gegenrichtung in die gleiche Richtung (entsprechend nach rechts) abbiegenden Fahrzeug kam es innerorts zu einem Unfall. Das nach links abbiegende Fahrzeug wurde hierbei auf der gesamten Beifahrerseite beschädigt. Der Halter dieses Fahrzeugs verlangte von der gegnerischen Haftpflichtversicherung Ersatz seines Schadens zu 100 %. Das zunächst mit der Sache befasste LG nahm hingegen eine Schadensverteilung von 50:50 vor. Genau dagegen richtet sich die Berufung des Halters des linksabbiegenden Fahrzeugs.

Das OLG hat in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass die vorgenommene Haftungsverteilung von 50:50 nicht zu beanstanden ist. Derjenige, der nach links abbiegen will, hat entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren zu lassen. Den Linksabbieger trifft mithin grundsätzlich eine Wartepflicht gegenüber dem entgegenkommenden Verkehr. Die Wartepflicht des Linksabbiegers entfällt auch nicht, sobald sich der Linksabbieger in den Bereich der Vorfahrtstraße, in die er einbiegen will, begeben hat. Denn allein dadurch wird er noch nicht zum Benutzer der Vorfahrtstraße und damit gegenüber dem Gegenverkehr bevorrechtigt. Zu einem solchen wird er erst, wenn der Linksabbiegevorgang vollständig abgeschlossen ist – und dies kann nur angenommen werden, soweit keine Schrägstellung mehr vorliegt. Den Rechtsabbieger trifft wiederum der Vorwurf, gegen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme verstoßen zu haben. Nach Auffassung des Senats steht dem Linksabbieger demnach kein über 50 % hinausgehender Schadensersatzanspruch zu.

Hinweis: Sobald der Linksabbieger erkennen kann, dass ein sich aus der Gegenrichtung näherndes Fahrzeug nach rechts abbiegen will und es daher zu einer Überschneidung der Fahrzeugwege im Einmündungsbereich oder auf der nachfolgenden Straße kommen wird, setzt die Wartepflicht des Linksabbiegers ein.

Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 03.06.2024 – 3 U 746/24

zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)

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