Mit der Auslegungsfähigkeit und Auslegungsbedürftigkeit eines notariellen Erbvertrags musste sich das Oberlandesgericht München (OLG) beschäftigen und dabei die Frage klären, welche Begrifflichkeiten zwingend notwendig sind, um die – mutmaßlich – gewünschte Erbfolge zu gewährleisten, und welche eben nicht.
Die Erblasserin war 2021 verstorben, nachdem der Ehemann bereits 2020 vorverstorben war. Die Ehegatten hatten 2015 einen notariellen Erbvertrag erstellt, der die gegenseitige Erbeinsetzung vorsah. Für den Fall, dass einer der Ehegatten nicht erben könne, wurde die Tochter als „Ersatzerbin“ benannt. Der überlebende Ehegatte solle darüber hinaus auch das Recht zur Abänderung nach dem Tod des Erstversterbenden haben. Die Tochter beantragte einen Alleinerbschein, während der Bruder einen Erbschein für je 1/2 der Erbschaft gemäß gesetzlicher Erbfolge beantragte. Der Sohn der Erblasserin argumentierte, dass der Erbvertrag keine Regelungen für den Tod des überlebenden Ehegatten enthielte, da die Schwester nur als Ersatzerbin und nicht als Schlusserbin eingesetzt worden sei. Das Nachlassgericht wies den Antrag des Bruders zurück und kündigte die Erteilung eines Alleinerbscheins für die Tochter der Erblasserin an.
Auch die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos, da das OLG die Auffassung des Nachlassgerichts teilte. Zunächst stellte das OLG nochmals klar, dass auch notarielle Urkunden zur Ermittlung des Erblasserwillens auslegungsfähig sind. Dies ist nicht von vornherein selbstverständlich, da der Notar kraft Gesetzes Beratungs- und Belehrungspflichten hat und daher gerade bei der Verwendung juristischer Begriffe eine Vermutung dafür spricht, welche Bedeutung diese haben. Das Gericht hält im Ergebnis aber fest, dass die Verwendung des Begriffs „Schlusserbe“ im juristischen Sprachgebrauch nicht zwingend ist, zumal dieser auch gesetzlich nicht verwendet wird, und dass die „Ersatzerbeneinsetzung“ ausreichend ist, um eine Regelungslücke zu vermeiden. Bereits der Tod des ersten Ehegatten habe dazu geführt, dass dieser im zweiten Erbfall nicht mehr Erbe sein könne, so dass seine Erbeinsetzung durch den überlebenden Ehegatten zwangsläufig ins Leere geht. Die ausdrückliche Änderungsbefugnis im Erbvertrag deutet darauf hin, dass die Ehegatten auch den zweiten Erbfall bereits geregelt haben. Insgesamt blieb die Beschwerde daher ohne Erfolg.
Hinweis: Die Verwendung von Begriffen in notariellen Urkunden, die das Gesetz nicht kennt, wird allgemein als problematisch angesehen.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 27.09.2023 – 33 Wx 164/23 e
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(aus: Ausgabe 01/2024)