Dass ein Fahrzeugführer, der alkoholisiert ein anderes Fahrzeug beschädigt, dann aussteigt, sich den Schaden ansieht und danach weiterfährt, gleich in mehrfacher Hinsicht falsch handelt, steht außer Frage. Ob ein solches Verhalten jedoch für die Fahrerlaubnisbehörde zu Recht eine „wiederholte Zuwiderhandlung“ darstellt, die zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis auf ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) bestehen darf, musste das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) prüfen.
Die Klägerin befuhr 2015 alkoholisiert einen Supermarktparkplatz. Nach dem Einkauf stieß sie beim Ausparken mit 0,68 ‰ rückwärts gegen einen anderen Pkw, stieg aus, schaute sich den Schaden an – und fuhr nach Hause, ohne die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Dafür wurde die Fahrerin wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tatmehrheit mit Unfallflucht und vorsätzlicher Trunkenheit verurteilt. Ihre Fahrerlaubnis wurde entzogen. Bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Jahr 2018 hatte die Fahrerlaubnisbehörde Fahreignungszweifel und forderte eine MPU wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Da die Klägerin kein solches Gutachten vorlegte, lehnte der Beklagte die Fahrerlaubniserteilung ab.
Das BVerwG entschied nun jedoch, dass wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss nur dann vorliegen, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom äußeren Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten unterschiedliche Zuwiderhandlungen begangen hat. Wenn eine Trunkenheitsfahrt nach einem alkoholbedingten Unfall in Kenntnis der eigenen Fahruntüchtigkeit fortgesetzt wird, liegt regelmäßig ein einheitlicher Geschehensablauf vor. Obwohl hier die Trunkenheitsfahrt unfallbedingt für – nur wenige – Minuten unterbrochen wurde, stellte dies dennoch einen einheitlichen Lebenssachverhalt dar, was für wiederholte Zuwiderhandlungen nicht ausreicht. Die Klägerin hatte daher einen Anspruch auf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ohne MPU.
Hinweis: Bei dem Ausparkunfall nebst Aussteigen und Betrachten der Fahrzeuge hat es sich nur um eine kurzzeitige Unterbrechung gehandelt, die – auch in der Gesamtbetrachtung mit der vorherigen Fahrtunterbrechung für den Einkauf – keinen neuen und eigenständigen Lebenssachverhalt begründet hatte.
Quelle: BVerwG, Urt. v. 14.12.2023 – 3 C 10.22
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(aus: Ausgabe 02/2024)