Zur Wahrheitsfindung: Ergänzungspflegschaft ist auch bei möglicher Interessenkollision geboten

Artikel vom 06.01.2025

Besteht zwischen Vormund und Mündel ein Interessengegensatz, kann dem Vormund die Vormundschaft entzogen werden (§ 1789 Abs. 2 Satz 4 Bürgerliches Gesetzbuch) – und zwar ganz oder teilweise. Dieses Urteil, in dem das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) die diesbezügliche Entscheidung der Vorinstanz bestätigte, zeigt deutlich, wann und warum dies angebracht sein kann.

Besteht zwischen Vormund und Mündel ein Interessengegensatz, kann dem Vormund die Vormundschaft entzogen werden (§ 1789 Abs. 2 Satz 4 Bürgerliches Gesetzbuch) – und zwar ganz oder teilweise. Dieses Urteil, in dem das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) die diesbezügliche Entscheidung der Vorinstanz bestätigte, zeigt deutlich, wann und warum dies angebracht sein kann.

Strittig war hier die Vertretungsbefugnis einer Kindsmutter. Sie wollte die Entscheidung für ihr 14-jähriges Kind treffen, ob sich dieses in einem Verfahren gegen seinen Vater als Nebenkläger anschließt. Dem Kindsvater wurde der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes gemacht. Das Amtsgericht (AG) setzte daher eine Ergänzungspflegschaft für die Frage des Anschlusses als Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Vater und gegebenenfalls zur Vertretung der Nebenklage im Strafverfahren ein. Das AG begründete dies damit, dass auch zwischen Mutter und Kind ein Interessengegensatz in dieser Frage nicht ausgeschlossen werden könne.

Die Entscheidung des AG wurde vor dem OLG bestätigt. Entscheidend für die Frage der Ergänzungspflegschaft ist es, ob ein erheblicher Interessengegensatz tatsächlich bestehe oder zumindest ernsthaft drohe. Hier kann eine Interessenkollision zum Beispiel deswegen bestehen, weil der Vater erstinstanzlich freigesprochen wurde, die Mutter den Vater dabei schwer belastet hatte und in der ersten Instanz Verfahrensfehler angemahnt wurden. Dennoch könne sich das Kind aber Umgang mit seinem Vater wünschen und eigene Angaben zum Tatvorwurf machen wollen. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Loyalitätskonflikt des Kindes in Bezug auf die Erwartungen der Mutter bestehe. Diese Möglichkeiten bergen die Gefahr, dass das Kind unter dem Druck der Mutter im Verfahren eben das sagt, was die Mutter hören wolle. Diesem Konflikt wollte das AG entgegenwirken, und das OLG gab diesen Bedenken recht.

Hinweis: Es kommt immer auf die Sicht des Mündels an. Können hier Konflikte entstehen, Drucksituationen oder gar Ängste geschürt werden, ist eine Pflegschaft anzudenken. So kann jeder neutral und unbefangen agieren. Dies wiederum dient in gerichtlichen Verfahren der Wahrheitsfindung. Nur so können gerechte Urteile und Beschlüsse gefällt werden.

Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 20.11.2024 – 2 WF 121/24 e

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 01/2025)

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