Wer heute eine Tat begeht, die unter Strafe steht, aber erst morgen dafür belangt wird, darf hoffen, straffrei auszugehen. Denn manchmal kommt es vor, dass Gesetze novelliert werden. Und wenn diese Überarbeitungen in Kraft treten, während die Rechtsbeschwerde läuft, hat jemand Glück – so wie kürzlich ein THC-Freund vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG).
Der Betroffene hatte gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. Zunächst ohne Erfolg, denn er wurde vom Amtsgericht Papenburg (AG) wegen einer Autofahrt unter Cannabiseinfluss zu einer Geldbuße von 1.000 EUR und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt. Das AG hatte festgestellt, dass der Betroffene mit einem THC-Wert von 1,3 ng/ml im Blut ein Fahrzeug geführt hatte. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein.
Das OLG hat der Rechtsbeschwerde stattgegeben. Dabei kam dem Betroffenen eine zwischenzeitliche Gesetzesänderung zugute. Denn als das AG am 09.02.2024 sein Urteil verkündete, galt für Autofahrten unter Cannabiseinfluss noch ein Grenzwert von 1,0 ng/ml. Daher stellte der Senat fest, dass das AG seinerzeit zu Recht von einer Überschreitung des Grenzwerts ausgehen musste. Am 22.08.2024 – und damit nach dem Urteil des AG, aber vor der Entscheidung des OLG – trat im Zuge der Cannabislegalisierung jedoch eine Gesetzesänderung in Kraft, die den Grenzwert für Fahrten unter Cannabiseinfluss auf 3,5 ng/ml heraufsetzte (§ 24a Abs. 1a Straßenverkehrsgesetz (StVG)). Diese Gesetzesänderung war aufgrund § 4 Abs. 3 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen. Da der THC-Gehalt des Betroffenen unterhalb des neuen Grenzwerts lag, hob der Senat das Urteil des AG auf – und sprach den Betroffenen frei.
Hinweis: Für die Anwendung des § 24a Abs. 1a StVG auf sogenannte Altfälle ist zumindest der Rechtsgedanke des § 4 Abs. 3 OWiG heranzuziehen, wonach in dem Fall, in dem ein Gesetz, das bei der Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert wird, stets das mildeste Gesetz anzuwenden ist. Wenn nunmehr der maßgebliche Wert in § 24a StVG über dem Wert liegt, den der Betroffene bei der einer Verurteilung zugrundeliegenden Fahrt im Blut hatte, hätte er bei einer Tatbegehung nach Inkrafttreten des Gesetzes den Bußgeldtatbestand nicht verwirklicht. Er war daher freizusprechen.
Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.08.2024 – 2 ORbs 95/24
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(aus: Ausgabe 12/2024)